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Husten hilft bei einem Herzinfarkt nicht

Husten hilft bei einem Herzinfarkt nicht - Featured image

Author(s): Petros KONSTANTINIDIS / Juliette MANSOUR / Eva WACKENREUTHER / AFP Frankreich / AFP Griechenland

Starkes Husten ist bei einem Herzinfarkt nicht hilfreich, erklären Kardiologinnen und Kardiologen im Gegensatz zu immer wieder kursierenden Behauptungen in sozialen Medien. Bei einem Verdacht auf einen Herzinfarkt sollte sofort der Notruf gewählt werden. Mit anderen Techniken im Fall eines Herzinfarktes Zeit zu verlieren, sei lebensgefährlich, so Expertinnen und Experten.

Ein Facebookbeitrag skizziert ein Szenario, in dem jemand alleine unterwegs Herzinfarktsymptome wahrnimmt. Der Beitrag empfiehlt wiederholt “tief und verlängert” zu husten. “Tiefe Atemzüge holen Sauerstoff in die Lunge und Hustenbewegungen drücken das Herz und halten das Blut im Kreislauf”, wird online empfohlen.

Die Behauptung kursiert seit Jahren in sozialen Medien. Die Empfehlung verbreitete sich außerdem in zahlreichen Sprachen, etwa EnglischFranzösisch, Schwedisch und Griechisch.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 31. Mai 2023

Über Hilfsmaßnahmen im Falle eines Herzinfarkts verbreiten sich immer wieder gefährliche Empfehlungen. AFP beschäftigte sich bereits mit der falschen Behauptung, Schläge auf die Arminnenseite seien ein wirksames Mittel bei einem Herzinfarkt.

Auch der Husten-Ratschlag gehört dazu. Wie mehrere Kardiologen gegenüber AFP erklärten, gibt es keine Beweise, dass Husten bei einem Herzinfarkt helfen würde. Stattdessen sollten Patientinnen und Patienten, die Symptome eines Herzinfarkts aufweisen, die Notrufnummer anrufen, um schnell medizinische Hilfe zu erhalten. Durch Husten würden die Betroffenen höchstwahrscheinlich wichtige Zeit verlieren, um Hilfe zu rufen.

Was ist ein Herzinfarkt?

Bei einem Herzinfarkt wird das Herz nicht mehr richtig durchblutet, weil ein Gefäß verstopft ist. In Folge sterben die Herzmuskelzellen aufgrund von Sauerstoffunterversorgung ab. Dem Herzmuskel fehlt dann die Kraft, um den Körper zu versorgen. Ist das betroffene Gebiet sehr klein, kann ein Herzinfarkt sogar unbemerkt ablaufen. Im schlimmsten Fall führt er zu einem Herzstillstand. Erkrankungen der Herzkranzgefäße sind weltweit die häufigste Todesursache.

Bemerkbar macht sich ein Herzinfarkt durch drückende oder brennende Schmerzen hinter dem Brustbein, Schmerzen im Brustkorb, in Armen, Schultern und Kiefer bis hin zu Hals, Rücken oder Oberbauch. Die Symptome können sehr unterschiedlich sein, sodass erste Anzeichen oft nicht richtig erkannt werden. Die klassisch beschriebenen Symptome eines Herzinfarkts sind bei Frauen beispielsweise häufig anders ausgeprägt.

Husten hilft bei einem Herzinfarkt nicht

Thomas Voigtländer ist Kardiologe, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt am Main und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Am 30. Mai äußerte er sich gegenüber AFP klar zu den verbreiteten Empfehlungen: “Es ist lebensgefährlich bei Verdacht auf akuten Herzinfarkt Zeit zu verlieren, indem man solche gefährlichen Atmungs- und Hustentechniken anwendet.” Im Gegenteil warnte er: “Bei einem Herzinfarkt kann sich durch das Husten und verstärkte Atmen im schlimmsten Fall sogar die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels noch weiter verschlechtern und das Herz zusätzlich belasten.”

Stattdessen solle man schnellstmöglich den Rettungsdienst alarmieren. Das rät auch die Deutsche Herzstiftung (archivierte Version) online. Internationale Experten stimmten dem zu.

“Husten hat sich noch nie als wirksam erwiesen, um das Ausmaß eines Infarkts oder seine Folgen zu verringern, auch nicht das zugrunde liegende Risiko eines Herzstillstands”, sagte Nicolas Lamblin, Leiter der Abteilung für Notfälle und Intensivpflege in der Kardiologie des Universitätskrankenhauses von Lille in Frankreich, in einem Telefoninterview mit AFP am 25. Juli 2022.

“Hustenreanimation spielt bei einem Herzinfarkt keine Rolle”, ergänzte Allen J. Taylor, Vorsitzender der Kardiologie bei MedStar Health in den USA, in einem Telefoninterview mit AFP am 27. Juli 2022. “Der zusätzliche Blutfluss beim Husten ist minimal und die meisten Menschen können das Husten ohnehin nicht länger als 15 Sekunden aufrechterhalten”, fügt er hinzu und warnt, dass “die zusätzliche Anstrengung beim Husten dem Patienten sicher nicht hilft”.

Dimitrios Farmakis, außerordentlicher Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Zypern, bestätigt ebenfalls, dass die Behauptung “keine wissenschaftliche Grundlage” habe. “Eine Person, die das Gefühl hat, einen Herzinfarkt zu erleiden, sollte sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen und den Rettungsdienst anrufen”, schrieb er in einer E-Mail an AFP am 21. Juli 2022.

“Wenn eine Person das Gefühl hat, einen Herzinfarkt zu erleiden, wenn sie allein zu Hause ist, sollte sie die Notrufnummer anrufen und versuchen, Menschen in der Nähe zu warnen, die Hilfe leisten könnten”, erklärte Lamblin. “Am besten ist es, die Tür zu öffnen und dort zu bleiben, denn wenn die Tür verschlossen ist, verlieren die Rettungskräfte Zeit, um hineinzukommen”.

Im Fall eines Herzstillstandes verliere der Betroffene vollständig das Bewusstsein, erklärte Lamblin weiter. “Wenn Personen anwesend sind, müssen diese die Notrufnummer anrufen, in der Nähe des Opfers bleiben und sich darauf vorbereiten, eine Herzdruckmassage zu beginnen, falls der Patient zusammenbricht und das Bewusstsein verliert”.

Auch mehrere medizinische Fakultäten, wie die University of Chicago (archivierte Version), dieMcGill University (archivierte Version), sowie die Cleveland Clinic (archivierte Version) haben die Behauptung entkräftet.

Husten als Behandlungstechnik

Expertinnen und Experten erklären jedoch, dass Husten in bestimmten Fällen für eine Person mit einer Herzerkrankung nützlich sein kann.

Nach Angaben der American Heart Association (archivierte Version) kann Husten beispielsweise bei Herzrhythmusstörungen in kontrollierten Krankenhausumgebungen wie einem Herzkatheterlabor, in dem die Patienten bei Bewusstsein sind und ständig überwacht werden, vorübergehend eingesetzt werden.

Taylor nennt ein weiteres Beispiel: “Wir verwenden die Husten-Lungenreanimation, wenn wir einen Eingriff vornehmen und der Herzschlag aussetzt”. Wenn man den Patienten bittet, ein paar Sekunden vor dem Bewusstseinsverlust zu husten, “hat das medizinische Personal ein paar Sekunden Zeit, um den Patienten wiederzubeleben, aber das kann nur in einer vollständig kontrollierten Krankenhausumgebung stattfinden”, sagte er.

Christina Chrysohoou, Kardiologin und Mitglied der Hellenischen Gesellschaft für Kardiologie, erklärte am 21. Juli gegenüber AFP, dass diese Methode möglicherweise bei einer Bradykardie helfen könnte. Das ist ein Zustand, bei dem der Herzschlag zu langsam ist und der mit einigen Fällen von Herzmuskelschwäche in Verbindung gebracht werden kann. Im Falle eines Herzinfarkts in Verbindung mit einer anderen Erkrankung, wie zum Beispiel dem Riss der Aorta, könnte das Husten jedoch den Tod beschleunigen, warnte sie.

Ignatios Ikonomidis, außerordentlicher Professor für Kardiologie an der Universität Athen, erklärte am 22. Juli gegenüber AFP, dass Husten bei einer schnellen Herzrhythmusstörung helfen könne, aber “nicht bei einer schweren koronaren Episode”.

Bei einem Herzinfarkt ist Husten nicht sinnvoll. “Wir sagen, dass Sie husten müssen, wenn Sie ersticken, wenn Sie fast ertrunken sind oder wenn Sie etwas eingeatmet haben. Aber wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie einen Herzinfarkt oder einen Herzstillstand erleiden” solle man diesen Ratschlag nicht beachten, sagte Lamblin.

Fazit: Bei einem Herzinfarkt kann jede Minute entscheidend sein. Expertinnen und Experten raten bei einem Verdacht auf einen Herzinfarkt, schnellstmöglich den Notruf zu wählen. Zeit mit Hustentechniken zu verlieren, sei deshalb lebensgefährlich.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.