Scroll Top

Sie befinden sich gerade auf der Website in der Sprache DE. Für zusätzliche Faktenchecks und Inhalte, die sich auf andere Communities beziehen, verwenden Sie bitte die Flaggensymbole, um die Sprache zu wechseln.

Altes Video von Stau zeigt keine aktuellen Fluchtbewegungen von der Krim

Altes Video von Stau zeigt keine aktuellen Fluchtbewegungen von der Krim - Featured image

Author(s): Eva WACKENREUTHER / AFP Österreich

Die Krim-Brücke verbindet die von Russland annektierte Krim mit dem russischen Festland. Unzählige russische Autofahrer stünden dort aktuell im Stau, so Nutzerinnen und Nutzer in sozialen Netzwerken. Sie seien angeblich nach Angriffen im dortigen Sewastopol auf der Flucht. Für die Behauptung führen die Beiträge als Beleg allerdings nur ein altes Video von Oktober 2022 an. Damals war die kurz zuvor beschädigte Brücke gerade wiedereröffnet worden.

Im Video ist ein Schwenk über einen Verkehrsstau zu sehen. Ein Autofahrer wird zur Situation befragt. Im Video sind drei Einblendungen mit der Aufschrift “Krim AP”, “Staus an der Krim-Brücke” und “29.04.2023” zu sehen.

Ein Nutzer schrieb dazu: “Der gestrige Angriff auf das Öldepot im vorübergehend besetzten Sewastopol hat den Russen irgendwie die Laune verdorben. Sie begannen, von der Krim zu fliehen und verursachten einen großen Stau auf der vorübergehend bestehenden Krimbrücke.”  In einem anderen Posting ist von einem “Megastau” die Rede.

User teilten die Behauptung auf Facebook und Twitter. Auch ukrainische Websites verbreiteten das angeblich aktuelle Stau-Video (hier, hier).

Twitter-Screenshot der Behauptung: 5. Mai 2023

Die Brücke stellt für Russland eine logistisch wichtige Transportverbindung für militärische Ausrüstung dar. Vom russischen Festland führt die rund 19 Kilometer lange Krim-Brücke über die Meerenge von Kertsch auf die von Russland annektierte ukrainische Krim. Das Bauwerk gilt als Prestigeprojekt Putins, er weihte es im Mai 2018 persönlich ein.

Nur vier Jahre zuvor hatte der russische Präsident nach einem international umstrittenen Referendum die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation beschlossen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezeichnet den Anschluss der ukrainischen Krim an Russland als “völkerrechtswidrigen Gebietswechsel”.

Die Krim war seither immer wieder schwer umkämpft. Ende April 2023 kam es nach einer großen russischen Angriffswelle in der Ukraine in Sewastopol auf der Krim-Halbinsel zu einem Brand in einem Treibstofflager. Der Großbrand am 29. April wurde nach Angaben des dortigen Gouverneurs mutmaßlich von einer ukrainischen Drohne ausgelöst. Auch die von Russland besetzte südukrainische Stadt Nowaja Kachowka sowie das grenznahe russische Dorf Nowaja Tawolschanka wurden nach Angaben der dortigen Behörden aus der Luft angegriffen.

Die Postings stellen einen falschen Zusammenhang zwischen diesem Angriff auf das Treibstofflager und der angeblichen Flucht von Russinnen und Russen von der Halbinsel her.

Video von Oktober 2022

Eine Rückwärtssuche führt zu einem Video der Nachrichtenagentur AP mit dem Titel “Lange Wartezeiten bei Krimverkehr an der wiedereröffneten Brücke”. Es ist allerdings nicht aktuell, sondern wurde im Oktober 2022 veröffentlicht und zeigt den Verkehr am 9. Oktober 2022.

Am 8. Oktober war die symbolträchtige Brücke bei einer Explosion einer Autobombe beschädigt worden. Kurz darauf öffnete der Verkehr wieder.

Von dieser Wiedereröffnung und dem damit verbundenen Stau handelt der als aktuell ausgegebene AP-Beitrag. Details aus dem aktuell geteilten Video stimmen mit dem Video der Nachrichtenagentur überein. In beiden ist dieselbe Abfolge von Autos zu sehen, genauso wie ein Junge mit grünem Pullover auf der Fahrbahn. In beiden spricht außerdem ein Mann, der von AP als der Russe Kirill Suslow beschrieben wird. Er sagt auf Russisch: “Man sagt, dass man fast vierundzwanzig Stunden in diesem Stau verbringen kann, aber wir waren auf eine solche Entwicklung etwas unvorbereitet. Deshalb ist die Stimmung ein bisschen düster.”

Wie die genaue Verkehrssituation infolge des Angriffs in Sewastopol Ende April war, konnte AFP nicht feststellen. Es gibt allerdings einige Hinweise, die darauf hindeuten, dass die Situation nicht wie im Oktober 2022 war.

Obwohl lokale Medien immer wieder von Staus an der Brücke berichten (hier, hier), gibt es keine Artikel, die auf eine Massenflucht von Russinnen und Russen oder einem “Mega-Stau” Ende April hindeuten.

Der Gouverneur der Krim, Sergei Aksjonow, schrieb am 3. Mai zudem auf seinem Telegramkanal, dass die “Wartezeit für Autos am Eingang der Krim-Brücke auf eine Stunde und fünfzehn Minuten verkürzt werden” konnte. Als Ziel habe man sich eine Stunde gesetzt.

Die Kreml-nahe Website “War on Fakes” bezeichnete die Behauptung außerdem als Falschinformation. Demnach sei es aufgrund der Maiferien zu stärkerem Verkehr in beide Richtungen gekommen, allerdings nicht im Ausmaß eines ganzen Tages.

Fazit: Ein Video, das eine große Fluchtbewegung von Russinnen und Russen von der Krim infolge eines Angriffs auf ein Tankstofflager zeigen soll, ist alt. Es wurde bereits im Oktober 2022 aufgenommen, als es bei der Wiederöffnung der Brücke nach einer Explosion zu langen Wartezeiten kam.

Fact Checker Logo
Ursprünglich hier veröffentlicht.