In sozialen Medien verbreiten sich zahlreiche falsche Gesundheitsinformationen zu Impfstoffen. Island plant etwa nicht, die gesamte Bevölkerung in diesem Jahr gegen das Coronavirus zu impfen. Dagegen ist auch die online verbreitete Behauptung, Coronaimpfungen seien im Land verboten worden, falsch. Die isländische Gesundheitsbehörde erklärte, sie stelle weiterhin Covid-19-Impfstoffe zur Verfügung und empfehle das Vakzin bestimmten Risikogruppen gemäß den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
“Island verbietet Covid-mRNA-Impfungen, da plötzliche Todesfälle sprunghaft ansteigen”, schrieb eine Userin Ende November 2023 auf Facebook. Beiträge mit der gleichen Behauptung kursieren auch auf X, ehemals Twitter, und wurden hundertfach geteilt. “Die isländische Regierung hat entschlossene Maßnahmen ergriffen und #Covid -#mRNA-#Impfungen aus dem Inselstaat verbannt”, schrieb etwa ein Nutzer auf X. Dies sei aufgrund der Zahl der “Todesfälle, Schlaganfälle, Blutgerinnsel, plötzlichen Herzstillstände und anderer ‘unerklärlicher’ Gesundheitsprobleme” passiert. Auch auf Telegram wurde die Behauptung über 7000 Mal angesehen. Verwiesen wird dabei häufig auf einen Artikel vom 30. November 2023 der amerikanischen Seite “Slay News”, die in der Vergangenheit bereits mehrfach Falschinformationen verbreitet hat (etwa hier und hier).
Davor kursierten bereits Beiträge mit derselben Behauptung auf Englisch auf mehreren Plattformen und wurden mitunter tausendfach geteilt. “Warnung: Island verbietet Covid-Spritzen angesichts der steigenden Zahl plötzlicher Todesfälle. Jetzt ist es klar”, lautet etwa der Text eines Posts vom 26. November 2023 auf X von Jim Ferguson, einem ehemaligen Kandidaten für das britische Parlament der Brexit-Partei. AFP hat Ferguson bereits in der Vergangenheit wegen der Verbreitung von Falschinformationen überprüft (etwa hier und hier). Der geteilte Beitrag enthielt einen Link zu einem Artikel der Seite “Evol News” vom 25. November 2023, in dem behauptet wurde, Island habe die Coronaimpfung eingestellt.
In sozialen Medien verbreiten sich viele falsche Behauptungen in Bezug auf Impfstoffe. Faktenchecks zu diesem Thema sammelt AFP hier. Faktenchecks zum Coronavirus und der -impfung sammelt AFP hier.
Im Text von “Evol News” wird behauptet, dass Sasha Latypova, eine Bloggerin, die sich lautstark gegen Impfstoffe ausspricht, Informationen darüber erhalten habe – nachdem sie an einer Konferenz über “Gesundheitssouveränität” in Reykjavik teilgenommen habe –, dass Island die Coronaimpfstoffe zurückgerufen habe. In einem Beitrag vom 20. November 2023 auf der Plattform Substack verwies Latypova auf einen isländischen Zeitungsartikel, in dem berichtet wurde, dass die Covid-19-Impfstoffe eingestellt würden.
Auch in dem Artikel von “Slay News” wird auf die Konferenz mit dem Titel “Let the Science Speak” (zu Deutsch: Die Wissenschaft sprechen lassen) hingewiesen, die Anfang Oktober 2023 in der isländischen Hauptstadt Reykjavik stattgefunden hat. Unter den Vortragenden war etwa Pierre Kory, Präsident und Mitbegründer der Front Line Covid-19 Critical Care Alliance (FLCCC), einer Gruppe von Ärzten, die sich für den Einsatz von Ivermectin, ein Mittel gegen Parasiten, zur Behandlung von Covid-19 einsetzen. Das Hauptdiskussionsthema der Konferenz seien die negativen Auswirkungen der Coronaimpfung auf die öffentliche Gesundheit gewesen, heißt es in den Berichten online. Wenige Wochen danach habe die isländische Regierung Maßnahmen getroffen und verkündet, die Impfungen einzustellen, so die Berichte.
Auf der Website der isländischen Gesundheitsbehörde (hier archiviert) ist jedoch keine derartige Ankündigung zu finden. Die Behörde teilte AFP in einer E-Mail vom 1. Dezember 2023 mit, dass Coronaimpfungen im Land weiterhin angeboten werden. “An diesen Behauptungen ist nichts dran”, erklärte Kjartan Hreinn Njalsson, Assistent des Gesundheitsdirektors. “Island hat die Covid-19-Impfung nicht verboten, und es gibt auch keine plötzlichen Todesfälle.”
Islands Vorgehen bei der Impfung
Njalsson erklärte, dass die Covid-19-Impfung weiterhin angeboten werde, dass aber keine unmittelbaren Pläne bestehen würden, die gesamte Bevölkerung in diesem Herbst und Winter zu impfen. Er sagte weiter, dass die Impfung weiterhin für Hochrisikogruppen wie ältere Menschen, immungeschwächte Personen und Beschäftigte im Gesundheitswesen empfohlen werde.
Njalsson sagte, das Land verwende den jüngsten, angepassten Impfstoff Comirnaty XBB 1.5 von Biontech/Pfizer.
“Wir haben die Käufe reduziert und wollen Impfstoffe für Personen einsetzen, die gemäß der verfügbaren Literatur wirklich von einer wiederholten Impfung profitieren, wobei wir uns auf ihre gesundheitlichen Bedürfnisse konzentrieren, anstatt gesunde Personen zu impfen”, erläuterte Njalsson.
Er stellte jedoch klar, dass die Impfung weiterer Gruppen machbar sein sollte, wenn gesunde Erwachsene diese benötigen würden.
Die isländische Vorgehensweise entspricht der Empfehlung der WHO (hier archiviert), wonach Erwachsene unter 50 oder 60 Jahren (je nach Land), die keine gesundheitlichen Probleme haben, nach der ersten Coronaimpfung keine Auffrischungsimpfungen vornehmen lassen müssen. Diese Empfehlung kann jedoch je nach den Bedingungen in den einzelnen Ländern variieren.
Laut Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben über 80 Prozent der isländischen Bevölkerung mindestens zwei Dosen eines Covid-19-Impfstoffs erhalten (hier archiviert). Nach isländischen Angaben sind es 82 Prozent (hier archiviert).
Nutzen der Impfung bleibt bestehen
AFP hat bereits in der Vergangenheit unbegründete Behauptungen über plötzliche Todesfälle nach Impfungen in anderen Ländern überprüft.
Obwohl Impfstoffe Nebenwirkungen haben können, erklären Fachleute immer wieder, dass die Vorteile der Coronaimpfung die Risiken von schweren Erkrankungen und Todesfällen überwiegen.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde (CDC) und das kanadische Gesundheitsministerium empfehlen gesunden Erwachsenen weiterhin eine Auffrischungsimpfung, nachdem sie die ursprüngliche Coronaimpfung erhalten haben (hier und hier archiviert). Auffrischungsimpfungen für Hochrisikogruppen werden von der WHO, der CDC und dem kanadischen Gesundheitsministerium empfohlen.
Auch die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt, dass Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (also unter anderem Personen ab 60 Jahre) weitere Auffrischungsimpfungen erhalten. Grundsätzlich wird allen Personen ab 18 Jahren eine Basisimmunität bestehend aus drei “Antigenkontakten” (Impfung oder Infektion, aber mindestens zwei Impfdosen) empfohlen.
Fazit: Online verbreitet sich die Falschbehauptung, Coronaimpfungen seien in Island verboten worden. Die isländische Gesundheitsbehörde erklärte jedoch, dass sie weiterhin Covid-19-Impfstoffe zur Verfügung stelle und die Impfung auch bestimmten Risikogruppen empfehle – was den Richtlinien der WHO entspreche.