An der Behauptung stimmt nichts. Eine Reihe klarer Fakten widerspricht dieser Erfindung.
Erstens wäre das ganze Vorhaben unsinnig, da Russland ungeachtet sonstiger Sanktionen derzeit (noch) größere Mengen Flüssigerdgas in die EU exportieren darf. Zweitens ist das angebliche Vorgehen unmöglich, da China nicht über ein einziges Terminal verfügt, in dem es Gas verflüssigen und für den Export auf LNG-Tanker verladen kann. Drittens ist es auch unsinnig, da China selbst dringend Energie kaufen muss und daher viertens in der EU auch keinerlei Flüssiggaslieferungen aus China ankommen.
Die Behauptung über die Lieferung von verflüssigtem russischen Gas über China nach Europa beruht mögkicherweise auf der Annahme, dass die EU wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kein Gas mehr aus Russland einführt. Diese Annahme ist falsch.
Gas-Importe aus Russland nahmen 2024 wieder zu
In Wirklichkeit hat die EU nach Angaben der EU-Kommission im Jahr 2024 rund 52 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland eingeführt. Davon kamen 32 Milliarden Kubikmeter über Pipelines, 20 Milliarden Kubikmeter als Flüssigerdgas (LNG).
Zwischen 2021 und 2023 habe die EU die Gaseinfuhren aus Russland um mehr als 70 Prozent auf 43 Milliarden Kubikmeter reduziert, doch seien die Importe 2024 wieder angestiegen. Gas aus Russland mache immer noch 13 Prozent der gesamten Gaseinfuhren der EU aus, hieß es.
In dem «Fahrplan für die Beendigung der Energieeinfuhren aus Russland» teilt die Kommission außerdem mit, sie wolle spätestens Ende 2027 die verbleibenden Einfuhren von Pipelinegas und LNG aus Russland verbieten. Ein Entwurf für eine Verordnung zur Einstellung der Einfuhren von russischem Erdgas liegt dem Europäischen Parlament seit Juni 2025 vor. Die Begründung für die geplanten Einschränkungen findet sich auch in einem Papier des Parlaments vom Mai 2025.
Für Europa war Norwegen im vergangenen Jahr mit mehr als 33 Prozent aller Gaseinfuhren der wichtigste Gaslieferant, heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission. Russland war der zweitwichtigste einzelne Lieferant.
LNG-Transport erfordert spezielle Anlagen
LNG (Flüssigerdgas) entsteht durch eine Verflüssigung von zuvor speziell behandeltem Erdgas unter hohem Druck und bei sehr niedrigen Temperaturen von minus 162 Grad. Nach dem Transport wird das flüssige Methan wieder in einen gasförmigen Zustand zurückverwandelt (Regasifizierung), um dann in Leitungsnetze eingespeist zu werden. Das bedeutet, dass zum Export von Flüssiggas entsprechende Terminals vorhanden sein müssen, in denen LNG produziert und verladen werden kann.
China ist ein Importeur von Energie. Es verfügt nach Angaben des spezialisierten Unternehmens für Terminals mit dieser Technik derzeit über 16 LNG-Terminals entlang der chinesischen Küste. Alle Terminals sind für den Import von LNG gebaut, also für die Umwandlung von LNG in Gas. China habe derzeit kein Terminal, um LNG zu produzieren und zu verladen. Nach Angaben des Weltenergierates waren China und Japan im Jahr 2021 mit jeweils mehr als 100 Milliarden Kubikmetern sowie Südkorea und Taiwan die größten LNG-Importeure.
Wenn China kein LNG exportieren kann und Russland sein LNG ohnehin derzeit in die EU liefern darf, ist anzunehmen, dass in der EU kein LNG auf Supertankern aus China ankommt. Und genauso ist es.
Europa importiert keine Energie aus China
Die Außenhandelsstatistik der EU mit China spricht eine deutliche Sprache. Die EU führte vor allem Telekommunikationsgeräte, Computer und Büromaschinen sowie andere elektrische Maschinen und Geräte aus China ein. Energieimporte aus China waren nicht im messbaren Bereich. Sie tauchen in detaillierten Marktbetrachtungen, beispielsweise hier, überhaupt nicht auf.
Chinas eigener Energiehunger wird auch von der Anfang September 2025 erzielten Einigung zwischen den Präsidenten Russlands und Chinas auf den Bau einer russischen Gaspipeline nach China über die Mongolei illustriert. Die Pipeline soll 30 Jahre lang jährlich bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach China befördern.
Die implizite Behauptung des Facebook-Posts, die EU kaufe unter falscher Flagge LNG in China und lasse es dann umweltschädlich auf großen Tankern um den halben Erdball nach Europa schaffen, ist also eine reine Erfindung.
(Stand: 3.9.2025)