Diese Geschichte ist rührend, aber erfunden. Sie hat mit historischen Tatsachen nichts zu tun.
«So reizend das auch ist – es handelt sich zweifellos um Fiktion», schreibt die International Churchill Society auf ihrer Webseite. Das renommierte «Churchill Project» des Hillsdale College (Michigan) stellt fest: «Berührend, aber fantasievoll: Der Fleming-Churchill-Mythos».
Die erste Rettung ist erfunden
Sowohl die Churchill Society als auch das Churchill Project verweisen zur Herkunft dieses Mythos auf den amerikanischen Journalisten Arthur Keeney. Dieser habe in der in Chicago herausgegebenen Zeitschrift «Coronet» im Dezember 1944 unter dem Titel «Dr. Lebensretter» (Dr. Lifesaver) erstmals die Erzählung verbreitet.
Von der Erzählung kursierte laut Churchill Project auch eine andere Version unter dem Titel «Die Macht der Güte» (The Power of Kindness), wonach der kleine Alexander Fleming selbst den ertrinkenden Churchill gerettet habe. Diese Version leide dem offiziellen Churchill-Biografen Martin Gilbert nach allerdings darunter, dass Fleming sieben Jahre jünger als Churchill war. Zudem gebe es keinerlei Hinweis darauf, dass Churchill irgendwann einmal knapp dem Tod durch Ertrinken entkommen sei.
Alexander Fleming erhielt 1945 den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung des Penicillins. Zuvor hatten schon andere Forscher ähnliche Entdeckungen gemacht. Im Dezember 1943 erkrankte Churchill in Karthago bei Tunis schwer. Laut Keeney sei deshalb das von Fleming entdeckte Penicillin per Flugzeug an Churchills Krankenbett gebracht worden. Der Politiker sei genesen.
Die zweite Rettung ist erfunden
Tatsächlich, so betont auch der Churchill-Forscher Richard Langworth, spielte Penicillin bei dieser Heilung gar keine Rolle. Die Erkrankung des britischen Regierungschefs ist präzise dokumentiert und in einer Studie von 2017 noch einmal zusammenfassend untersucht worden. Churchill wurde von seinem Leibarzt Lord Moran wegen einer Pneumokokken-Lungenentzündung behandelt, während US-General Dwight D. Eisenhower ungeduldig auf eine Besuchsmöglichkeit wegen der geplanten Invasion in Deutschland wartete.
Churchill wurde nach Angaben Morans mit Sulfadiazin behandelt, einem Sulfonamid-Antibiotikum. In der Studie heißt es, keiner der anderen Ärzte am Krankenbett Churchills habe über Penicillin verfügt. Zudem sei man damals der Ansicht gewesen, «dass man keine therapeutischen Experimente mit dem Premierminister macht».
Das Stipendium ist erfunden
Die angebliche Lebensrettung mit Penicillin hat also nicht stattgefunden. Aber auch die Finanzierung des Studiums von Alexander Fleming hat es so nicht gegeben.
Der Fleming-Biograf Kevin Brown schreibt in seinem Buch über den «Penicillin-Mann» Fleming, dieser habe 1901 von seinem Onkel John Fleming 250 Pfund geerbt: «Dies gab ihm die Möglichkeit, seinen Job in der City of London aufzugeben und ein Medizinstudium zu beginnen.» Der 1955 gestorbene Fleming selbst habe die Geschichte über die zweimalige Lebensrettung als «sehr schöne Fabel» bezeichnet.
(Stand: 20.10.25)