
Nein, eine Stunde Wartezeit bis zum Durchtrennen der Nabelschnur bringt dem Neugeborenen kein besseres Immunsystem, versichern Fachleute. Ein paar Minuten damit zu warten, sei aber vorteilhaft für den Eisengehalt des Blutes in den ersten sechs Lebensmonaten.
Die meisten internationale Leitlinien raten dazu, die Nabelschnur erst einige Minuten nach der Geburt zu durchtrennen. Das entspricht etwa den Vorgaben der WHO, des britischen Royal College of Obstetricians & Gynaecologists und der entsprechenden US-Organisation der Geburtshelfer und Frauenärzte ACOG.
Wartet man kurz mit dem Schnitt, erhöht dies den Eisengehalt im Blut des Säuglings im ersten halben Lebensjahr. Eisen wiederum ist wichtig für die Entwicklung des Gehirns. Vor allem zu früh geborene Kinder profitieren davon. Es fördert die Durchblutung, erhöht das Volumen der roten Blutkörperchen und verringert das Risiko von Komplikationen nach Frühgeburten.
Wenige Minuten
Die Frage, wenn nun der beste Moment zum Abnabeln ist, taucht immer mal wieder auf. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schrieb schon 2021 einen Faktencheck in niederländischer Sprache darüber. Die Gynäkologin Annick Corremans von der Flämischen Verenigung für Geburtshilfe und Gynäkologie bestätigte damals, dass sich die Durchtrennung der Nabelschnur nicht auf das Immunsystem des Neugeborenen auswirkt.
Man brauche auch keine Stunde zu warten, um die Vorteile einer späteren Abnabelung zu erzielen. «Länger als ein bis zwei Minuten Warten hat wenig Sinn: 75 Prozent des (Blut-)Volumens wird schon in der ersten Minute übertragen. Nach fünf bis zehn Minuten stoppt die Blutzufuhr von der Plazenta von allein.»
Blutbank und Kosmetikproduktion
Die Verwendung der Nabelschnur bei der Herstellung von Kosmetika, auf die Internetnutzer immer wieder verweisen, ist der Gynäkologin Corremans zufolge eine überholte Praxis. «Das geschieht schon seit mindestens 20 Jahren nicht mehr.» An der Nutzung von Stammzellen aus tierischen Nabelschnüren in Kosmetik wird aber weiter geforscht.
Das Nabelschnurblut mit den darin enthaltenen Stammzellen kann speziellen Stammzellbanken gespendet werden. Damit können Ärzte dann Leukämie-Patienten oder Menschen mit schweren Immundefekten helfen.
(Stand: 14.4.2025)