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Die Wahlbenachrichtigung ist jedenfalls gültig. In der Verfassung steht die Wahlpflicht festgeschrieben, auch wenn das häufig als Anwesenheitspflicht interpretiert wird.
Fakten
In Artikel 62 der Verfassung heißt es eindeutig: «Die Stimmabgabe ist obligatorisch und geheim.» In diesem Sinne stimmt die Wahlbenachrichtigung also überein mit den Vorgaben des Grundgesetzes. Doch kann die Vorgabe unterschiedlich interpretiert werden, wie der Verfassungsrechtler Prof. Toon Moonen (UGent) der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erläutert.
«In der Praxis wird das nicht wörtlich interpretiert in dem Sinne, dass der Bürger verpflichtet wäre, eine Partei oder einen Kandidaten auszuwählen: Man kann den Stimmzettel auch leer lassen. Deshalb wird in der Tat argumentiert, dass es eher um eine Erscheinenspflicht geht», sagt Prof. Moonen. Andere sagen wiederum, dass es in Wirklichkeit um eine «Teilnahmepflicht» geht, «weil der Bürger auch jemand anderem eine Vollmacht geben kann», so Prof. Moonen.
Keine Neuigkeit
So steht es auch klar zu lesen auf der Webseite des Innenministeriums: Volljährige Belgier mit Wohnsitz in einer belgischen Gemeinde sind verpflichtet, an Wahlen teilzunehmen. Konkret heißt das: Sie müssen die Wahlkabine betreten. Danach können sie für eine Partei, einen Kandidaten oder blanko stimmen.
Der Satz «Wählen ist Pflicht» auf der Wahlaufforderung für die Abstimmungen am 9. Juni 2024 ist auch keine Neuigkeit. Wie diese Beispiele in niederländischer Sprache zeigen, war die entsprechende Formulierung schon bei den Wahlen 2019 und 2014 gebräuchlich.
Theoretische Diskussion
Letztlich ist die Diskussion um die Wortwahl eher theoretischer Natur. Dass darüber debattiert wird, bedeute nicht, dass «ein Bürger auch einen Richter finden würde, der die Gültigkeit von welchem Aspekt der der Wahl auch immer davon abhängig machen würde», sagt Verfassungsrechtler Moonen. Mit anderen Worten: Am Sonntag nicht wählen zu gehen mit dem Argument, man habe eine ungültige Wahlaufforderung erhalten, ist kein Erfolgsrezept.
(Stand: 07.06.2024)