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100 Buchprüfer für Selenskyj sind reine Erfindung

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Author(s): dpa

Ein Facebook-Post behauptet in deutscher Sprache, die USA hätten «fast 100 Buchprüfungsbeamte in Anzug und Krawatte» nach Kiew geschickt, um die Verwendung von US-Hilfsgeldern zu überprüfen. Damit werde der «schlimmste Alptraum von Juntachef Selenskyj und seinem innersten Zirkel» Realität. Ein Facebooknutzer aus Luxemburg verbreitet diese Behauptung mit der Frage «Stimmt das?» weiter.

Bewertung

Die Behauptung über die Ankunft von etwa 100 Buchprüfern ist pure Fantasie. Ein angebliches Beweisfoto ist mit künstlicher Intelligenz hergestellt und hat ebenfalls mit der Wirklichkeit nichts zu tun.

Fakten

Der Facebook-Beitrag vom 7. Juni 2025 führt noch aus, dass «bisher über 200 Milliarden aus Europa und circa 240 Milliarden aus den USA» in die Ukraine geflossen seien. Weder wird dazu angegeben, ob es sich um Euro oder Dollar handeln soll, noch gibt es eine nachvollziehbare Quelle für die verschiedenen Behauptungen.

Abbildung mit künstlicher Intelligenz geschaffen

Als eine Art Beweis enthält der Post eine Abbildung, die eine Gruppe von Männern in dunklen Anzügen und mit dunklen Krawatten zeigt, die offenbar gerade schwarzen Autos entstiegen ist. Die Männer tragen schwarze Aktentaschen und befinden sich vor einem langgestreckten dreistöckigen Gebäude. Über dem Eingang ist der Schriftzug «Hilton Kyiv» mit zwei ukrainischen und zwei US-Flaggen zu sehen.

Bei näherem Hinsehen kann bereits die Tatsache, dass mindestens zwei Männer mit unterhalb der Hände schwebenden Aktentaschen unterwegs sind, Zweifel an der Authentizität des verbreiteten Bildes wecken. Tatsächlich handelt es sich um eine eher primitive Fälschung mittels künstlicher Intelligenz.

Dies bestätigt ein Blick auf das wirkliche Hilton-Hotel in Kiew, beispielsweise mit Hilfe von Google Streetview oder per offizieller Hotel-Webseite. Das Hotel befindet sich in einem modernen Hochhaus und hat an keiner Stelle auch nur die geringste Ähnlichkeit mit dem Gebäude auf dem gefälschten Bild.

Keine Mitteilung über Buchhalter-Entsendung

Wenn das Beweisbild für den Einzug der «Vollstrecker» gefälscht wurde, weckt dies auch Zweifel am Text des Beitrags. Tatsächlich lässt sich nirgendwo eine offizielle Mitteilung über die kürzliche Entsendung von Buchprüfern nach Kiew finden.

Da sowohl Ex-Präsident Joe Biden als auch der amtierende Präsident Trump stets die Bedeutung einer strikten Kontrolle der verwendeten US-Gelder betont haben, kann davon ausgegangen werden, dass es die behauptete Entsendung von «Vollstreckern» nicht wirklich gegeben hat. Andernfalls wäre wie in der Vergangenheit öffentlich ausführlich über die Kontrolle der US-Steuergelder berichtet worden.

So hatte der Special Inspector General des US-Verteidigungsministeriums in einem Bericht vom Dezember 2023 berichtet, 20 US-Bundesbehörden seien in die Unterstützung der Ukraine involviert. Die Rechnungsprüfer hätten insgesamt etwa 400 Personen mit der Kontrolle der Zahlung und deren Verwendung beauftragt. Diese Personen arbeiteten «in den USA, Deutschland, der Ukraine und anderswo in der Region». Die US-Ermittler hätten seit dem Beginn des russischen Angriffs vom Februar 2022 in 57 Fällen Ermittlungen wegen Verdachts von Korruption, Diebstahl, Betrug und anderer Verbrechen eingeleitet.

Frühere Besuche und Berichte öffentlich gemacht

Im Januar 2024 hatten die drei Chef-Rechnungsprüfer des US-Außenministerium, des Verteidigungsministeriums und der Agentur USAID Kiew besucht. Der Besuch wurde von der US-Botschafterin in der Ukraine via X öffentlich gemacht.

Im Oktober 2024 hatte der Rechnungsprüfer des Verteidigungsministeriums in einem Bericht kritisiert, dass die Verwendung von 1,1 Milliarden Dollar im Jahr 2022 «nicht ausreichend dokumentiert» worden sei. Ob die Zahlungen ordnungsgemäß für die Unterstützung der Verteidigung der Ukraine ausgegeben worden seien, müsse noch geklärt werden.

Schon im Januar 2023 hatte Victoria Nuland, damals Staatsekretärin im US-Außenministerium, in einer Anhörung vor dem Kongress gesagt: «Wir konzentrieren uns auch weiterhin darauf, sicherzustellen, dass keine Hilfsgüter oder Waffen abgezweigt werden – mit Hilfe unserer Botschaftsmitarbeiter in Kiew sowie der technischen Aufsicht durch die Weltbank, (der Steuer- und Finanzberatung) Deloitte und Prüfer der US-Regierung.» Von diesen Prüfern seien einige derzeit in der Ukraine.

Milliardenhilfen in anderer Dimension

Die Kontrolle der militärischen und humanitären Unterstützungsgelder ist also über die Kriegsjahre hinweg immer wieder Thema der US-Politik gewesen. Nach Angaben des USA-Außenministeriums vom März 2025 wurde seit Beginn des russischen Angriffs Militärhilfe in Höhe von 67 Milliarden Dollar (58 Milliarden Euro) geleistet.

Nach Angaben des Kiel Institute belief sich die Militärhilfe auf 64,1 Milliarden Euro. Zu diesem Betrag kämen noch etwa 46,6 Milliarden Euro Haushaltshilfe sowie 3,4 Milliarden Euro humanitärer Hilfe hinzu. Die US-Unterstützung für die Ukraine belaufe sich auf etwa 114,6 Milliarden Euro. Diesen Zahlen zufolge ist Europa mit 156 Milliarden Euro ein deutlich größerer Geldgeber für die Ukraine. Die Zahlenangaben zum Umfang der US-Hilfe variieren vor allem wegen unterschiedlicher Definitionen und Wechselkurse.

Der finanzielle Überblick wird unter anderem von Missverständnissen erschwert. So sagte Selenskyj im Februar 2025, er habe gehört, dass die USA 175 Milliarden Dollar ausgegeben hätten. Die Ukraine habe aber nur 75 Milliarden bekommen. Dies hatte zu Berichten geführt, es seien 100 Milliarden Dollar verschwunden.

Tatsächlich bezog sich die Zahl von 175 Milliarden auf Geld, das wegen des russischen Angriffs ausgegeben werden soll, nicht aber an die Ukraine gegangen ist. In dieser Summe sind beispielsweise Kosten für den Ausbau der US-Verteidigungsindustrie oder für die Verstärkung von US-Truppen in Europa und beispielsweise die Folgen von Sanktionen eingerechnet. Das Center for Strategic and International Studies (CSIS) hat dies in einem Bericht ausführlich erläutert.

(Stand: 16.6.2025)

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Ursprünglich hier veröffentlicht.