Im Netz kursieren unterschiedliche Überzeugungen und Vorstellungen zum Thema Ernährung. In einem hundertfach auf Facebook geteilten Beitrag heißt es, Menschen mit der Blutgruppe Null sollten bei Krankheiten und Unwohlsein Auberginen meiden, weil diese etwa Schmerzen verschlimmern würden. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Daten, wonach die Blutgruppe den persönlichen Nährstoffbedarf bestimmt. Das sagen mehrere Studien sowie Expertinnen und Experten, die AFP kontaktiert hat.
Der Beitrag auf Französisch wurde seit dem 8. Januar 2023 über dreihundert Mal geteilt und erhielt rund zweihundert Kommentare.
Die Behauptung: “BLUTGRUPPE 0 UND AUBERGINE. Bei Krankheiten und Unwohlsein vermeiden Sie es, Auberginen zu essen, da sie Schmerzen fördert und verschlimmert”, behauptet der Facebook-Beitrag der Seite “Dr. BOUA – Cabinet Dietline CI”, ohne die Behauptung wissenschaftlich zu belegen.
Laut Informationen auf der Seite wurde das Profil am 6. August 2016 erstellt und wird von der Praxis Dietline CI mit Sitz im Stadtteil Cocody-Angré in Abidjan, Elfenbeinküste, betrieben. Inhaber der Praxis ist “Dr. Boua K. Daniel“, der sich selbst als “ehemaliger Apotheker, Spezialist für Flüssigkeitszufuhr & Gesundheit und Ernährung nach Blutgruppe” bezeichnet.
Um mehr über diesen Arzt zu erfahren, hat AFP seine Praxis in Abidjan aufgesucht. Diese befindet sich in einem Studio im Erdgeschoss eines einfachen Wohnhauses, vor Ort gibt es kein Praxisschild oder irgendeinen Hinweis auf Bouas Fachgebiet. Boua hat eine Sekretärin und berechnet 10.000 CFA-Franc (15 Euro) für eine Beratung.
Der angebliche Arzt verkauft vor Ort Medikamente und Bücher mit Ernährungsratschlägen. Gefragt nach den Gesundheitsrisiken von Auberginen, blieb Boua ausweichend und wiederholte lediglich, dass “einige Bestandteile der Aubergine für die Blutgruppe Null schädlich sein sollen”.
Sein Facebook-Profil gibt etwas mehr Auskunft und enthält viele Rezepte, um “durch Ernährung gesund zu werden”, indem man “nach seiner Blutgruppe isst”. Die Seite enthält auch viele andere – manchmal fragwürdig erscheinende – Ernährungstipps. Fragen von Usern nach wissenschaftlichen Belegen zu seinen Ratschlägen – etwa hier und hier – bleiben meist unbeantwortet.
Boua hat sogar ein Buch geschrieben mit dem Titel “Meine Heilung ist möglich”, in dem er auf blutgruppengerechte Diäten eingeht: “Sie finden für jede Blutgruppe eine Liste der Lebensmittel, die eine gute Gesundheit fördern, und auch eine Liste der giftigen Lebensmittel”. Er beschreibt mit “praktischen Fällen” die Behandlung bestimmter Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Erkrankungen des Dickdarms, Fettleibigkeit, Nieren- und Prostataprobleme.
Eine Anfrage von AFP bei der Ärztekammer der Elfenbeinküste, ob Dr. Boua eine Zulassung als Arzt ist, blieb unbeantwortet. In der Elfenbeinküste ist es jedoch gängige Praxis, dass sich Straßenverkäufer von Nahrungsergänzungsmitteln, traditionellen Heilmitteln oder chinesischen Pillen mit einem Doktortitel schmücken. Die Gesundheitsbehörden der Elfenbeinküste haben in der Vergangenheit im Rahmen ihrer Kampagnen zur Bekämpfung von illegalen medizinischen Einrichtungen immer wieder die Bevölkerung vor den Risiken gewarnt, sich von nicht anerkannten Ärztinnen oder Ärzten behandeln zu lassen.
Blutgruppen und Ernährung
Die Blutgruppe wird von zwei Faktoren bestimmt – einem Gen, das sich auf einem Chromosom befindet, und einem entsprechenden Antigen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen. Das Rhesus-System ist neben AB0 eines der wichtigsten Systeme, mit dem das Blut von Menschen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden kann.
Die traditionelle Einteilung der Blutgruppen besteht aus den Buchstaben A, B, der Ziffer 0 und dem positiven oder negativen Rhesusfaktor. Je nachdem, ob ein bestimmtes Antigen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorhanden ist, gehört eine Person der Blutgruppe A, B, AB oder 0 an.
Das Rhesus-System bestimmt, ob eine Person Rh-positiv oder Rh-negativ ist. Dies wird anhand der An- oder Abwesenheit eines weiteren Antigens auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen bestimmt. Eine Person der Blutgruppe 0- hat einen sogenannten negativen Rhesusfaktor – das Antigen ist nicht auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorhanden. Eine Person der Blutgruppe 0+ dagegen hat einen positiven Rhesusfaktor, da das Antigen vorhanden ist.
AFP hat Expertinnen und Experten über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und der Ernährung befragt. Dr. Issa Coulibaly ist Anästhesist und Intensivmediziner und erklärte, dass die Blutgruppen darauf basierten, ob bestimmte Proteine und Zucker auf den Zellen vorhanden seien oder nicht. “Der Blutgruppe 0 fehlt im Vergleich zu den Blutgruppen A und B eine Kohlenhydrat-Proteinkette“, sagte er gegenüber AFP. “Aber diese Proteine und der Zucker, um die es im Blut bei der Bestimmung der Blutgruppe geht, sind nicht die, die in der Nahrung enthalten sind.”
Zu der Behauptung rund um die Aubergine sagte Dr. Coulibaly, Leiter des Operationssaals am Hôpital Général in Anyama, Elfenbeinküste: “Gekochte Auberginen haben keine besondere Toxizität, außer vielleicht im Falle einer Allergie einer bestimmten Person gegen einen der Bestandteile dieses Gemüses. Ich garantiere Ihnen, dass es in diesem Fall keinen Zusammenhang mit der Blutgruppe gibt.”
Dr. Pierre-Edouard Debureaux, Mitglied des Verbandes der Hämatologie-Internisten Frankreichs, fügte hinzu, dass “die von der Facebook-Seite geteilten Informationen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Der Verzehr von Auberginen in großer Menge oder der Verzehr in roher Form kann giftig sein. Aber ich bestätige, dass es keinen Zusammenhang mit der Blutgruppe gibt”.
In zahlreichen Online-Artikeln auf Französisch und Englisch werden die angeblichen Vorteile einer an die Blutgruppe angepassten Diät gerühmt. Die meisten von ihnen, darunter auch die von Boua K. Daniel, heben die Arbeit eines amerikanischen Naturheilkundlers zu diesem Thema hervor. Dr. Peter J. D’Adamo, Autor mehrerer weltweiter Bestseller wie “4 Blutgruppen – 4 Strategien für ein gesundes Leben”, war einer der Pioniere, die in den 1990er Jahren den Einfluss der Blutgruppen auf den Gesundheitszustand theoretisch begründeten.
Dominique Fay-Keller, Heilpraktikerin in Paris, ist der Meinung, dass “der (virale) Beitrag auf Facebook gefährlich und sinnlos” ist, verglichen mit dem, was der amerikanische Arzt empfiehlt. Um ihre Ansicht zu untermauern, verweist sie auf die von Peter J. D’Adamo vorgenommene Einteilung von Lebensmitteln in drei Kategorien: wohltuende Lebensmittel, neutrale Lebensmittel, giftige Lebensmittel. Seine Studie stuft Auberginen zwar als “giftige Lebensmittel” für die Blutgruppe 0 ein, bringt das Gemüse aber nicht mit dem Auslösen von Unwohlsein oder der Verschlimmerung eines Krankheitszustands in Verbindung.
Dominique Fay-Keller sagte weiter: “Bei der Ernährung und bei Verboten ist nicht nur die Blutgruppe wichtig. Wenn jemand nie Milchprodukte oder Obst gegessen hat oder wenig Zucker konsumiert hat und mit 40 plötzlich anfängt, Zucker zu essen, kann es sein, dass der Körper es nicht gut verkraftet.”
Kein wissenschaftlicher Konsens
Theorien zur Ernährung nach Blutgruppe sind in der wissenschaftlichen Welt jedoch nicht unumstritten. Maßgebliche Studien, die zu diesem Thema veröffentlicht wurden, stellen solche Theorien in Frage und weisen sogar mögliche Risiken auf. Laut dieser Studie aus dem Jahr 2013, gibt es derzeit “keine Belege für die behaupteten gesundheitlichen Vorteile von Blutgruppendiäten. Zur Validierung dieser Behauptungen sind Studien erforderlich, die die gesundheitlichen Ergebnisse zwischen Teilnehmern, die eine bestimmte Blutgruppendiät einhalten (Versuchsgruppe), und Teilnehmern, die eine Standarddiät (Kontrollgruppe) innerhalb einer bestimmten Blutgruppenpopulation beibehalten.”
Im Jahr 2014 führten Forscherinnen und Forscher der Universität Toronto in Kanada eine weitere Studie durch, die sich auf Daten von 1.455 Teilnehmenden stützte und bestätigte, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für die Theorie der blutgruppenbasierten Ernährung gibt. Eine Experimentalgruppe und eine Vergleichsgruppe innerhalb einer Stichprobe wurden den Blutgruppendiäten unterzogen.
Dr. Ahmed El-Sohemy, Hauptautor der Studie und außerordentlicher Professor an der Universität Toronto erklärte: “Wie eine Person auf eine dieser Diäten reagiert, hat absolut nichts mit ihrer Blutgruppe zu tun und hat alles mit ihrer Fähigkeit zu tun, eine vernünftige vegetarische oder kohlenhydratarme Diät einzuhalten.”
Professor Thierry Facon, Präsident der Französischen Gesellschaft für Hämatologie, SFH, bestätigte seinerseits: “Seriöse Studien haben die AB0-Blutgruppen mit der Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten in Verbindung gebracht, wobei in jüngster Zeit eine höhere Inzidenz der Blutgruppe A bei Patienten mit Covid-19 beobachtet wurde. Es wurde jedoch nie ein Zusammenhang zwischen Blutgruppen und Ernährung oder Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Nahrungsmittel nachgewiesen.”
Was die Arbeiten des amerikanischen Naturheilkundlers D’Adamo betrifft, so beruhen sie laut Professor Facon “auf einer Korrelation zwischen der Verteilung der verschiedenen Blutgruppen in Abhängigkeit von der Herkunft der Menschen und deren Ernährungsgewohnheiten. Die Angaben in diesem Buch sowie das Thema einer möglichen Unverträglichkeit gegenüber Auberginen bei Personen mit der Blutgruppe Null haben keine solide wissenschaftliche Grundlage.”
Fazit: Menschen mit Blutgruppe Null müssen nicht auf den Verzehr von Auberginen verzichten. Ein Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und der Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel ist wissenschaftlich nicht belegt. Das bestätigten verschiedene Expertinnen und Experten gegenüber AFP.