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Neuseeland: Diese 11.000 Ausnahmen von der Coronaimpfung betreffen Gesundheitspersonal

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Author(s): Katharina ZWINS / AFP Österreich

In sozialen Medien verbreiten sich zahlreiche falsche Gesundheitsinformationen zu Impfstoffen. Entgegen einer Behauptung, die in sozialen Medien vielfach geteilt wurde, wurden in Neuseeland etwa nicht 11.000 Politikerinnen und Politiker sowie “Eliten” von der Coronaimpfung ausgenommen. Bei den angeführten Genehmigungen handelte es sich um temporäre Ausnahmen von der Coronaimpfung für Gesundheitspersonal, um den Betrieb des neuseeländischen Gesundheitssystems während der Pandemie aufrecht erhalten zu können. Das geht sowohl aus einer Antwort der nationalen Gesundheitsbehörde als auch aus dem einschlägigen Gesetzestext hervor. Auch ein Mitarbeiter der Behörde bestätigte das gegenüber AFP. In Medienberichten heißt es zudem, dass sich etwa die ehemalige Premierministerin Jacinda Ardern – anders als online mitunter behauptet – sehr wohl gegen das Virus impfen ließ.

“Heimliche Ausnahmen in Neuseeland: Hohe Beamte blieben von Impfpflicht verschont. Über 11.000 Ausnahmen von der Impfpflicht hat es in der Corona-Zeit in Neuseeland unter Premierministerin Jacinda Ardern gegeben – heimlich”, schrieb ein User im Dezember 2023 auf Facebook. “Neuseeland war während Covid eines der inhumansten und menschenverachtendsten Länder. Jetzt kam heraus, dass 11.000 Politiker eine Ausnahmegenehmigung erhielten und sich nicht impfen lassen mussten”, hieß es in einem anderen Facebook-Posting. Beiträge mit der gleichen Behauptung kursieren auch auf X und wurden mitunter hundertfach geteilt. Auch auf Telegram wurde die Behauptung über 6000 Mal angesehen.

Verwiesen wird dabei häufig auf Artikel der Seiten “Epoch Times“, “Uncut News” oder “Unser Mitteleuropa“, die in der Vergangenheit bereits mehrfach Falschinformationen verbreitet haben. AFP hat diese etwa hier, hier und hier überprüft.

Beiträge mit derselben Behauptung kursieren auch in anderen Sprachen wie Englisch und Französisch und wurden auf mehreren Plattformen mitunter tausendfach geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 20. Dezember 2023

In sozialen Medien verbreiten sich unzählige Falschbehauptungen in Bezug auf Impfstoffe. Faktenchecks zu diesem Thema sammelt AFP hier. Faktenchecks zum Coronavirus und der -impfung sammelt AFP hier.

In den geteilten Behauptungen wird erklärt, dass die “über 11.000 Ausnahmen von der Impfpflicht” durch den “Official Information Act” zutage gekommen seien. “Die Ausnahme gab es vor allem für hohe Beamte, während selbst durch die erste Impfung Geschädigte nicht vom Zwang zur zweiten Injektion befreit wurden”, heißt es in dem vielfach geteilten Artikel von “Epoch Times” vom 9. Dezember 2023. Auf anderen Blogs (etwa hier und hier) wird stets Michael Gray Griffin genannt, der von den Ausnahmen in einem Videogespräch, das Ende November 2023 geteilt wurde, berichtet hat. In sozialen Medien (etwa hier und hier) bezeichnet sich der Mann selbst als “gecancelten, ungeimpften Bühnenautor”, der durch Australien reise.

Den geteilten Behauptungen fehlt es jedoch an Kontext: Die angeführte Ausnahme galt nicht für Politiker oder Angehörige der sogenannten Elite. Die Zahl von 11.000 bezog sich auf vorübergehende Ausnahmen von der Pflicht zur Coronaimpfung für medizinisches Personal. Die Sonderregelung sollte gewährleisten, dass essenzielle Gesundheitsdienste in Neuseeland ihren Betrieb weiterführen konnten.

Antwort der Gesundheitsbehörde zu Ausnahmegenehmigungen

Aus einer Antwort der neuseeländische Gesundheitsbehörde “Te Whatu Ora – Health New Zealand” vom 2. August 2023 auf Basis eines neuseeländischen Gesetzes (Official Information Act 1982) geht hervor, dass vom 13. November 2021 bis zum 26. September 2022 etwa 11.005 Arbeitnehmer eine Ausnahmegenehmigung erhielten. Es wurde konkretisiert: “Vom 13. November 2021 bis zum 26. September 2022 gingen insgesamt 478 Anträge auf Befreiung wegen erheblicher Dienstunterbrechung (Significant Service Disruption Exemption, SSDE) ein. 103 Anträgen wurde stattgegeben, was ungefähr 11.005 Arbeitnehmer umfasste.”

Die genaue Anzahl an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einer solchen Genehmigung könne nicht angegeben werden, heißt es: “Dies liegt daran, dass eine Organisation einen Antrag für mehrere Arbeitnehmer stellen konnte.” Die Antwort erging aufgrund einer Anfrage vom 5. Juli 2023, in der nach der Anzahl an Anträgen sowie Genehmigungen von Ausnahmen für Personen gefragt wurde, die sich nicht gegen Covid-19 impfen ließen.

Gesundheitsbehörde widerspricht geteilten Aussagen

Am 14. Dezember 2023 schrieb die neuseeländische Gesundheitsbehörde AFP auf Anfrage eine E-Mail. Matt Hannant, stellvertretender Direktor des nationalen Gesundheitsdienstes, erklärte darin, dass es während der Coronapandemie zwei Arten von vorübergehenden Ausnahmeregelungen für Neuseeländerinnen und Neuseeländer gegeben habe. Dabei handelte es sich einerseits um die “Significant Service Disruption Exemption” (SSDE), die für Beschäftigte in wesentlichen Gesundheitsdiensten galt, und um die “Temporary Medical Exemption” (TME), die für alle Personen über 18 Jahren galt, die die klinischen Kriterien erfüllten. Weiter konkretisierte Hannant: “Die SSDE ermöglichte Arbeitnehmern, die unter die Impfpflicht im Gesundheitssektor fallen, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums gegen Covid-19 impfen zu lassen, während die TME diejenigen abdeckte, die aus klinischen Gründen nicht geimpft werden konnten (…). Alle Ausnahmen waren zeitlich begrenzt, wobei die Dauer der SSDE zwischen sieben Tagen und acht Wochen und die der TME zwischen drei und sechs Monaten lag.”

Zu den SSDE, von denen 11.005 Arbeitnehmer abgedeckt waren, wie Hannant bestätigte, konkretisierte er: “Die SSDE wurden eingeführt, damit wesentliche Gesundheitsdienste weitergeführt werden konnten, während ein oder mehrere Beschäftigte des Gesundheitswesens die vorgeschriebenen Coronaimpfung bekommen oder mit einem alternativen Covid-19-Impfstoff geimpft werden konnten.” In dem Antrag auf Ausnahme musste ein Plan zur Vermeidung der Coronaübertragung dargelegt und bestätigt werden, dass keine andere Möglichkeit der Leistungserbringung möglich gewesen sei. Ein Antrag wurde entweder abgelehnt oder aufgeschoben, bis die Kriterien erfüllt waren, heißt es weiter: “Die Kriterien für die Ausnahme waren, dass ein wichtiger Gesundheitsdienst nicht erbracht werden kann, wenn die Arbeitnehmer nicht verfügbar sind, und dass die Organisation alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um das Risiko einer Covid-19-Erkrankung für Patientinnen, Kollegen und die Öffentlichkeit zu mindern.”

Zudem heißt es in der Antwort an AFP, dass von den 103 bewilligten Anträgen die meisten (85) von ehemaligen Distriktgesundheitsämtern (District Health Boards, DHBs) stammten. Diese wurden durch ein neuseeländische Gesetz (New Zealand Public Health and Disability Act 2000) eingerichtet und waren für die Bereitstellung von Gesundheits- und Behindertendiensten für die Bevölkerung in einem bestimmten geografischen Gebiet zuständig. Sie bestanden vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2022. Die Aufgabe wurden im Wesentlichen von Abteilungen der neuseeländischen Gesundheitsbehörde “Te Whatu Ora – Health New Zealand” übernommen. Hannant schrieb AFP dazu: “Alle 20 ehemaligen DHBs beantragten mindestens einmal eine SSDE, wobei der größte Einzelantrag 971 betroffene Arbeitnehmer in einer Organisation umfasste, die landesweit kommunale Pflegedienste anbietet.” Von Politikerinnen und Politikern sowie “Eliten” war in seiner Antwort nichts zu lesen.

Eine Dosis des Pfizer-BioNTech Impfstoffes: 6. Januar 2022 – JACK GUEZ / AFP

Auch TME erlaubten keine Ausnahmen für Politiker und Eliten, wie online fälschlich behauptet. Eine TME wurde auf Antrag einer registrierten medizinischen Fachkraft für alle Personen ab 18 Jahren in Betracht gezogen, die aus klinischen Gründen nicht geimpft werden konnten. Hannant schrieb AFP dazu: “Vom 15. November 2021 bis zum 26. September 2022 wurden insgesamt 6410 individuelle TME gewährt. Davon wurden 5684 Ausnahmen unter der Kategorie 1A gewährt – Personen mit einer Coronaerkrankung, die daher nicht vollständig geimpft werden konnten, bis das empfohlene Intervall zwischen Erkrankung und Coronaimpfung erreicht war.”

Auf der Website des neuseeländischen Parlaments finden sich an unterschiedlichen Stellen ebenfalls nähere Informationen zu den Ausnahmen (etwa hier, hier und hier).

Ähnliches zu SSDE geht auch aus zahlreichen Medienberichten hervor. In diesem Artikel (hier archiviert) wird etwa erklärt, dass Einrichtungen des Gesundheitswesens für ihre Beschäftigten eine Ausnahmeregelung beantragen könnten, die höchstens acht Wochen gilt. Sie müssten nachweisen, dass es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Dienstleistungen kommen würde, wenn die Beschäftigten nicht vor Ort blieben, und sie müssten versuchen, alternative Regelungen zu treffen. In einem anderen Bericht heißt es etwa, dass – nach Angaben der Gesundheitsbehörde – die Ausnahmeregelungen wegen erheblicher Dienstunterbrechungen zeitlich befristet seien, wobei die längste von ihnen acht Wochen dauerte.

Gesetzestext widerlegt Behauptungen zu “Eliten” und Politikern

Auch aus den relevanten Gesetzestexten (hier archiviert) geht nicht hervor, dass es sich bei den SSDE um Ausnahmen für Politikerinnen und Politiker sowie “Eliten” handelt. Die Befreiung müsse jeweils notwendig oder wünschenswert sein, “um die Ziele dieses Gesetzes zu fördern und eine erhebliche Störung der Gesundheitsdienste zu verhindern”, heißt es wörtlich. Das müsse auch in dem Antragsformular so begründet werden.

Über SSDE wurde vom zuständigen Minister auf Empfehlung eines Gremiums, zuständig für erhebliche Dienstunterbrechungen, entschieden.

Medienberichte zu Politikern, die sich gegen das Coronavirus impfen ließen

In sozialen Medien wurde im Zuge der Debatte um die Ausnahmen für Politikerinnen und Politiker auch die ehemalige neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern angeführt, die angeblich nicht gegen das Virus geimpft worden sei. Online finden sich jedoch zahlreiche Fotos, Videos und Berichte zur Coronaimpfung der Politikerin.

In einem AFP-Video ist beispielsweise zu sehen, wie die Politikerin ihren ersten Impftermin am 18. Juni 2021 im Manurewa-Impfzentrum in Auckland wahrnahm.

Das geht auch aus Medienberichten hervor. “Premierministerin Jacinda Ardern erhält erste Dosis des Covid-19-Impfstoffs”, lautet der Titel.

Am 28. Juli 2021 soll Ardern die zweite Dosis bekommen haben, wie Medienberichten zu entnehmen ist. In diesem Artikel findet sich auch ein Video davon. Die dritte Dosis des Coronaimpfstoffes soll die ehemalige Premierministerin schließlich im Januar 2022 erhalten haben. Auch hierzu gibt es Videomaterial. Eine AFP-Anfrage an Ardern blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet.

Auch das Faktencheck-Team von “Reuters” hat sich die Coronaimpfung von Ardern in der Vergangenheit bereits hier näher angesehen. Die neuseeländische Premierministerin habe die Coronaimpfung von Biontech/Pfizer erhalten, lautet das Resultat vom Juni 2021.

Fazit: In sozialen Medien kursiert die irreführende Behauptung, dass in Neuseeland rund 11.000 Politiker und “Eliten” von der Coronaimpfung ausgenommen wurden. Tatsächlich handelt es sich bei den genannten Genehmigungen um temporäre Ausnahmen für das Gesundheitspersonal, um den reibungslosen Betrieb des neuseeländischen Gesundheitssystems während der Pandemie sicherzustellen. Diese Informationen sind sowohl aus der Beantwortung einer Anfrage durch die neuseeländische Gesundheitsbehörde als auch aus dem entsprechenden Gesetzestext ersichtlich. Ein Mitarbeiter der Behörde hat dies gegenüber AFP ebenfalls bestätigt. 

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Ursprünglich hier veröffentlicht.