Die Behauptung ist falsch. Sie beruht auf Missverständnissen und Verwechslungen.
Sowohl im Facebook-Post als auch bei «Report24» wird durchgängig von einem «EU-ZK» gesprochen – dem Anschein nach, um abwertende Assoziationen an das undemokratische Zentralkomitee (ZK) der SED zu wecken. Gemeint ist stets die vom Europäischen Parlament gewählte EU-Kommission.
Verschiedene Programme vermischt
In dem Artikel von «Report24» werden zwei unterschiedliche Programme der Kommission vermischt. Das führt schließlich auch zu falschen Zahlen. Zum einen geht es in dem Artikel um das Erasmus-Programm, mit dem bisher vor allem befristete innereuropäische Auslandsaufenthalte von Studierenden und mittlerweile auch Auszubildenden finanziert werden. Zum anderen geht es um einen im Oktober 2025 von der Kommission vorgeschlagenen «Pakt für den Mittelmeerraum». Dieser soll unter anderem dazu dienen, die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Staaten im südlichen und östlichen Mittelmeerraum zu vertiefen.
«Report24» behauptet, der «Pakt für den Mittelmeerraum» halte für die südliche Nachbarschaft 42 Milliarden Euro Steuergeld bereit: «Im Zentrum steht die Erweiterung des Erasmus+ Studentenaustausch-Programms auf Länder wie Algerien, Libanon, Libyen, Marokko, „Palästina“ und Syrien.» Tatsächlich ist Erasmus nur ein kleiner Teil des «Pakts für den Mittelmeerraum», der wesentlich umfassender angelegt ist.
Zur Verwirrung trägt offenbar die Tatsache bei, dass sowohl bei Erasmus als auch bei dem Mittelmeer-Pakt von 42 Milliarden Euro gesprochen wird. Aber nirgendwo ist geplant, 42 Milliarden Euro ausschließlich oder hauptsächlich für junge Leute aus den Ländern Nordafrikas oder des Nahen Ostens auszugeben. Wichtig ist also zu sehen, woher das Geld kommen und wohin es gehen soll.
Was die EU wirklich vorhat
Die für den Mittelmeerraum zuständige EU-Kommissarin Dubravka Suica sagte bei der Vorstellung des Mittelmeer-Paktes am 16. Oktober 2025, sie schlage vor, «das Budget für diese Region im nächsten Programmplanungszeitraum auf 42 Milliarden Euro zu verdoppeln». Der Zeitraum meint die jeweils für sieben Jahre geltende Haushaltsplanung der EU. Von 2021 bis 2027 waren für die Mittelmeerpolitik 19 Milliarden Euro vorgesehen. Für die Jahre 2028 bis 2034 wären 42 Milliarden Euro – durchschnittlich also 6 Milliarden Euro jährlich – etwas mehr als eine Verdoppelung. Über die Planung ab 2028 ist allerdings bisher noch nicht entschieden.
In der «Gemeinsamen Mitteilung», in der die EU-Kommission ihren Vorschlag für den Mittelmeerpakt erläutert, wird betont: «Alle einschlägigen Finanzierungsinstrumente der EU werden mobilisiert.» Unter anderem werden die Instrumente «NDICI/Europa in der Welt», die Global-Gateway-Initiative und das künftige Instrument «Europa in der Welt» genannt. Hinter diesen technisch anmutenden Begriffen verbirgt sich viel Geld. NDICI verfügt als wichtigstes Instrument der EU-Entwicklungszusammenarbeit im 2027 endenden Zeitraum über ein Budget von 80 Milliarden Euro. Global Gateway hat seit 2021 Investitionen mit einem Volumen von rund 306 Milliarden Euro mobilisiert.
Anders ausgedrückt: Die 42 Milliarden Euro des Mittelmeerpaktes werden aller Voraussicht nach zu einem erheblichen Teil aus bereits verfügbaren Finanztöpfen kommen, sind also nur zu einem noch unbekannten Teil zusätzliches Geld. Wichtiger noch: Sie dienen nicht zur Finanzierung des Erasmus-Programms. Im Plan der EU-Kommission für den Mittelmeerpakt wird Erasmus im Kapitel über Hochschulbildung und berufliche Bildung lediglich erwähnt, weil man auf der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Partnern im südlichen Mittelmeerraum im Rahmen von Erasmus+ aufbauen wolle.
Tatsächliche Ziele des Mittelmeer-Paktes sind im Gegensatz zu den Behauptungen von «Report24» unter anderem
– die Förderung der Bildung
– die Gründung einer «Mittelmeer-Universität»
– die Stärkung von Kompetenzen und die Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem für Jugendliche, Frauen und kleine Unternehmen
– der Ausbau erneuerbarer Energien
– die Verbesserung der digitalen Infrastruktur
– die Förderung der Meeresnutzung.
Außerdem soll die Resilienz gegen Katastrophen und das Grenzmanagement ebenso wie die Sicherheit kritischer Infrastruktur gestärkt werde. Unter anderem sollen auch private Investitionen in den südlichen Mittelmeerländern gefördert werden.
Das bedeutet, dass die vorgeschlagenen 42 Milliarden Euro über sieben Jahre hinweg für viele Zwecke ausgegeben werden sollen, die nichts mit Erasmus oder dem Anlocken junger Menschen nach Europa zu tun haben.
Begrenztes Erasmus-Budget für Nicht-EU-Länder
Was das Erasmus-Programm (offiziell: Erasmus+) angeht, so waren in der 2027 endenden Finanzplanung 24,6 Milliarden Euro vorgesehen. Die Kommission hat für 2028 bis 2034 ein Volumen von 40,8 Milliarden Euro vorgeschlagen. Je nach Berücksichtigung künftiger Preissteigerungen können es auch 42 Milliarden Euro werden. Das wäre eine knappe Verdoppelung der Ausgaben. Damit sollen «Teilhabe, Solidarität, soziale Inklusion und Chancengleichheit in der EU» gefördert werden. Außerdem sollen die Freiwilligendienste, beispielsweise für humanitäre Hilfe, ausgebaut werden.
Alleine im Jahr 2024 nahmen fast 1,5 Millionen Menschen an Erasmus+ Programmen teil. Insgesamt wurden 4,7 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Schon bisher gibt es Partnerschaften mit Nicht-EU-Ländern rund um die Erde, für die maximal 20 Prozent der Haushaltsmittel ausgegeben werden dürfen.
Die von «Report24» genannte Zahl von sieben Millionen jungen Menschen, die in die EU gebracht werden sollen, ist pure Fiktion und beruht auf einer falschen Rechnung.
Wollte man 42 Milliarden Euro ausgeben, um sieben Millionen junge Menschen aus Nordafrika in die EU zu bringen, so müsste Erasmus für die EU-Jugendlichen völlig eingestellt werden. Das ist weder zu erwarten noch wird es von irgendjemandem geplant.
Falsche Rechnung beruht auf irriger Annahme
«Report24» erklärt die Rechnung so: «Bei Kosten von rund 6.000 Euro pro Student und Jahr reichen die 42 Milliarden für bis zu sieben Millionen Teilnehmer.» Diese Rechnung ist falsch, weil sie von der irrigen Annahme ausgeht, die EU wolle 42 Milliarden Euro für das neue Programm Erasmus+ ausgeben, das ausschließlich junge «Studenten» (in Anführungszeichen gesetzt von Report24) in die EU «lotsen» solle.
Die Rechnung ist auch falsch, weil die Zahl von 6.000 Euro pro Teilnehmer am Erasmus-Programm nicht nachvollziehbar ist. Tatsächlich ergäbe sich ein Wert von gut 3.000 Euro pro Teilnehmer, wenn man das vorhandene Zahlenmaterial anschaut. Bei 8,5 Millionen Teilnehmenden in den Jahren 2014 bis 2023 ergäbe sich beispielsweise ein Wert von 3.200 Euro pro Teilnehmer. Dabei zählen übrigens auch Lehrer oder andere Beschäftigte als Teilnehmer.
Nach der Logik von «Report24» würde dies also gut 13 statt 7 Millionen Menschen bedeuten – was allerdings unerheblich ist, weil erstens die Grund-Annahme der 42 Milliarden Euro falsch ist und zweitens die Erasmus-Mittel vor allem für den innereuropäischen Austausch vorgesehen sind.
(Stand: 20.11.2025)
[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]