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Villa in Kitzbühel wird ohne Beweise mit Annalena Baerbock in Verbindung gebracht

Villa in Kitzbühel wird ohne Beweise mit Annalena Baerbock in Verbindung gebracht - Featured image

Author(s): Eva WACKENREUTHER / AFP Österreich

Der österreichische Staatsschutz beschäftigt sich bereits seit April 2022 mit einem Haus in Kitzbühel im österreichischen Tirol. Berichten des Recherchenetzwerkes OCCRP zufolge wurde das Haus von Putins Tochter genutzt, erworben wurde die Immobilie über zyprische Briefkastenfirmen. Beiträge in sozialen Medien konstruieren eine Verbindung zur deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu dem Haus, die sich von AFP nicht nachvollziehen ließ.

In tausendfach auf verschiedenen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Tiktok verbreiteten Beiträgen ist aus der Vogelperspektive ein stattliches Haus zu sehen. Von oben sieht man ein von Hecken umgebenes Grundstück, zum Haus gehört eine Terrasse mit Pool. Dazu heißt es: “Baerbock hat sich bei Wien eine Villa für sechs Millionen gekauft”. User empören sich in den Kommentaren über den vermeintlich aktuellen Kauf der deutschen Außenministerin.

Facebook-Screenshot der Behauptung, aufgenommen am 2. August 2023

Über die deutsche Außenministerin verbreiten sich immer wieder unbegründete Behauptungen, etwa dass sie angeblich die Abschaffung der Witwenrente gefordert habe und sich für die Legalisierung von Sex mit Kindern eingesetzt haben soll. Beides stimmt nicht, genausowenig wie die Behauptung über den Kauf der abgebildeten Villa.

Keine Villa bei Wien, sondern in Kitzbühel

Das gezeigte Haus steht allerdings nicht bei Wien im Osten Österreichs. Eine Rückwärtssuche führte AFP in den Westen Österreichs, nach Kitzbühel in Tirol, das rund 370 Kilometer von Wien entfernt liegt. Der Wintersportort ist als Austragungsort des Hahnenkammrennens und vor allem als Ferienziel zahlreicher Prominenter bekannt.

Die Suche nach einem Ausschnitt aus dem Video zeigt, dass das Haus im Oberleitenweg 31b steht. Mithilfe der Rückwärtssuche gelangte AFP zu Aufnahmen eines Hauses, die genauso aussehen wie die Aufnahmen in den aktuell verbreiteten Beiträgen. Für einen Bericht über russische Oligarchen – dazu gleich mehr – veröffentlichte unter anderem das estnische Medium Delfi hochaufgelöste Videoaufnahmen des Hauses aus zahlreichen verschiedenen Perspektiven.

Details wie ein rechteckiger Pool, zwei Liegestühle vor dem Haus, die Anzahl an Schornsteinen am Dach oder die Platzierung von Bäumen und Büschen stimmen überein, genauso wie die Position anderer Häuser in der Nachbarschaft.

Screenshot von der Website Ekspress.delfi.ee (links) und des auf Facebook verbreiteten Postings mit der Behauptung (rechts), aufgenommen am 2. August 2023

Damit ist belegt, dass das Haus aus den Postings in Kitzbühel steht, nicht bei Wien. Auch Satellitenbilder auf Google Maps und Bing passen zu den Aufnahmen.

Verstrickungen nach Russland

Das Haus im Oberleitenweg 31b ist nicht irgendein Haus – über kaum ein anderes Haus in Österreich gibt es so viele Berichte wie über die Immobilie am Stadtrand Kitzbühels. Das liegt hauptsächlich an Recherchen des Investigativnetzwerkes OCCRP. In einer Kooperation veröffentlichten “Der Spiegel” / Paper Trail Media aus Deutschland, “Der Standard” aus Österreich, Tamedia aus der Schweiz sowie das estnische Delfi, das finnische Yle und Follow The Money aus den Niederlanden Berichte zu den sogenannten Rotenberg-Files. Ihre Recherche trägt den Titel “Dokumente legen nahe, dass ein milliardenschwerer Oligarch den Kauf eines österreichischen Chalets finanziert hat, das von Putins Tochter genutzt wurde”.

Darin deckt das Netzwerk auf, wie der russische Oligarch und Putin-Vertraute Arkadi Rotenberg, gegen den bereits 2014 Sanktionen verhängt wurden, das Haus finanziert haben soll, in dem laut Nachbarn auch Putins Tochter Zeit verbracht habe.

Das zyprische Unternehmen Wayblue Investments Limited hat das Haus 2013 für 10,8 Millionen Euro mitsamt Inventar gekauft. Wayblue wird von der zyprischen Treuhandfirma Velidom Limited verwaltet. Wem Wayblue letztlich gehört, ist damit nicht klar. Nach OCCRP-Recherchen erhielt Wayblue aber von Olpon Investments Limited ein Darlehen. Der russische Milliardär Arkadi Rotenberg wiederum besitzt Olpon. “Der Standard” vermutet daher, dass Rotenberg die Luxusimmobilie als Gefallen für Wladimir Putin versteckt finanzierte.

2013 gekauftes Haus

Nicht nur Medien haben sich bereits genau mit dem Haus in Kitzbühel beschäftigt, auch die österreichische Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat die Immobilie bereits unter die Lupe genommen. Die DSN ist ziviler Inlandsnachrichtendienst und für den Verfassungsschutz zuständig. Ein Sprecher des Innenministeriums schrieb am 4. August 2023: “Bereits ab April 2022 wurden sowohl im In- als auch im Ausland Erhebungen im Zusammenhang mit dem Objekt Oberleitenweg 31b, 6370 Kitzbühel und einer zypriotischen Gesellschaft durchgeführt.” Die Eigentümerschaft von Wayblue seit 2013 könne seitens der DSN bestätigt werden. Ob die Ermittlungen eine Verbindung zu Baerbock zutage gefördert hätten, kommentierte die DSN mit Verweis auf Datenschutz nicht.

Ein von AFP angeforderter Grundbuchauszug des Oberleitenweg 31b bestätigt das. Am 17. Januar 2013 schloss die Wayblue Investments Limited mit Sitz in Nikosia den Kaufvertrag ab. Hätte Annalena Baerbock die Immobilie selbst direkt erworben, stünde hier ihr Name.

Teil des Grundbuchauszugs des Oberleitenweg 31b in Kitzbühel mit von AFP unkenntlich gemachter Adresse von Wayblue in Nikosia

Der Eigentumserwerb 2013 ist auch in einer Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol festgehalten. Das Gericht beschäftigte sich im Juni 2023 mit der untersagten Nutzung des Hauses als Freizeitwohnsitz – im Gegensatz zu einer zulässigen Nutzung zu Wohnzwecken – und verbot dies. Das Objekt diente laut dem Gericht verschiedenen Gästen zum Skifahren und zur Erholung im Urlaub. Laut der im Urteil zitierten Haushälterin seien dies wechselnde Gäste, insbesondere immer wiederkehrende Familien, wie auch durch eine Kontrolle im Dezember 2022 bestätigt worden war. Ob im Verfahren Baerbock thematisiert worden war, konnte das Landesverwaltungsgericht Tirol ebenfalls aus Datenschutzgründen nicht kommentieren.

Auch von außen gibt es auf den ersten Blick nichts, was auf Annalena Baerbock oder einen anderen Besitzer hindeutet. Der Briefkasten und das Klingelschild sind nicht personalisiert, wie ein Besuch vor Ort zeigte.

Haus im Oberleitenweg 31b in Kitzbühel am 12. August 2023 – Wackenreuther
Briefkästen im Oberleitenweg 31b in Kitzbühel am 12. August 2023 – Wackenreuther

Laut ihrer Website lebt Baerbock mit ihrer Familie in Potsdam. Medienberichte erwähnen ebenfalls den Wohnort der Ministerin in Potsdam – ein Hauskauf in Österreich wird in der Presse allerdings nicht aufgegriffen. Das Auswärtige Amt äußerte sich zu den Behauptungen nicht.

Fazit: Ein Haus, das angeblich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock um mehrere Millionen gekauft haben soll, steht nicht bei Wien, sondern in Kitzbühel. Mehrere österreichische Behörden sowie zahlreiche internationale Medien beschäftigten sich bereits mit dem Haus, das 2013 von einer zyprischen Firma gekauft und seither als Feriendomizil genutzt wurde. In keiner der Veröffentlichungen wird Baerbock erwähnt. Das Haus scheint vielmehr über eine Firmenkonstruktion durch einen russischen Oligarchen finanziert worden sein.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.