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Dieses Bild aus 2017 zeigt einen Verkehrsunfall in Deutschland und keinen ukrainischen Angriff auf einen polnischen Lkw

Dieses Bild aus 2017 zeigt einen Verkehrsunfall in Deutschland und keinen ukrainischen Angriff auf einen polnischen Lkw - Featured image

Author(s): Maja CZARNECKA / AFP Österreich / AFP Polen

Seit Anfang November 2023 blockieren polnische Lkw-Fahrer die Grenze zur Ukraine als Protest gegen die Entscheidung der EU, den Binnenmarkt für Fahrer aus dem Kriegsland zu öffnen. In diesem Kontext wurde in polnischen sozialen Netzwerken ein Bild von einem brennenden Lkw geteilt, begleitet von der falschen Behauptung, das Fahrzeug sei als Rache von Ukrainern in Brand gesteckt worden. Doch das Foto wurde 2017 aufgenommen und zeigt einen nach einem Verkehrsunfall ausgebrannten Lkw auf einer deutschen Autobahn. Die ukrainische Polizei, das polnische Außenministerium und eine der größten Vereinigungen polnischer Lkw-Lenker bestätigten AFP gegenüber, dass ihnen kein solcher Vorfall wie in den Online-Behauptungen bekannt ist. 

Seit dem 6. November 2023 blockieren polnische Fahrer wichtige Grenzübergänge mit der Ukraine, etwa in Dorohusk, Hrebenne und Korczowa. Dies ist eine Reaktion auf eine im Juni 2022 zwischen der EU und Kiew getroffene Vereinbarung, welche die Regeln rund um Straßentransport vereinfacht. Der sogenannte visafreie Frachtverkehr soll die vom Krieg betroffene ukrainische Wirtschaft unterstützen. Das Abkommen, das ursprünglich für ein Jahr gültig war, wurde bis zum 30. Juni 2024 verlängert. Die polnischen Lkw-Fahrer wollen das rückgängig machen und die Pflicht für Genehmigungen wieder einführen, weil ukrainische Fahrer ihnen einen großen Teil des Marktes weggenommen haben, da ihre Gebühren geringer sind. In Dorohusk betrug die Wartezeit an der Grenze am 29. November 2023 ganze 128 Stunden oder mehr als fünf Tage.

In dieser angespannten Situation teilten Nutzer sozialer Medien in Polen ein Foto mit der Behauptung, es zeige einen polnischen Lastwagen, der in der Vorwoche in der Ukraine in Brand gesetzt worden sei, und suggerierten, es handele sich um einen Racheakt ukrainischer Fahrer aufgrund des polnischen Protests.

“Ukraine: Ein Lastwagen mit polnischen Kennzeichen wurde in Brand gesetzt. Dies ist ein weiterer solcher Vorfall in der vergangenen Woche. Polnische Fahrer und Transportflotten werden immer wieder von lokalen Spediteuren und Einheimischen angegriffen….”, heißt es in einem am 20. November 2023 auf X, ehemals Twitter, veröffentlichten Beitrag mit einem Foto eines brennenden Lkw auf einer Straße. Der Beitrag mit dem Foto wurde mehr als 700 Mal geteilt und kursierte mit einer ähnlichen falschen Behauptung auf Facebook (hier, hier, hier) und Telegram.

Der Beitrag löste eine Reihe negativer Kommentare gegenüber der Ukraine aus. “Es ist interessant zu wissen, wie sich die Menschen fühlen, die an der Grenze waren, um (den Flüchtlingen aus der Ukraine nach der russischen Invasion) zu helfen, indem sie sie nach Hause brachten und die als Freiwillige mit warmer Suppe warteten. Heute gibt es niemanden, der unseren Leuten (den polnischen Demonstranten) hilft, die nun schon seit zwei Wochen an der Grenze warten”, schrieb ein Nutzer. Die Kommentare unter den Beiträgen zeigen, dass viele Nutzer die Informationen für wahr hielten. Einige von ihnen wiesen jedoch darauf hin, dass das Foto alt sei und aus Deutschland stamme: “Aber warum sehen wir einen deutschen Feuerwehrmann?”

Wie der Kommentar andeutete, ergab eine AFP-Recherche, dass das Foto aus dem Jahr 2017 stammt und einen Lkw zeigt, der nach einem Verkehrsunfall auf einer Autobahn in Deutschland brannte. Die ukrainische Polizei, das polnische Außenministerium und einer der größten polnischen Lkw-Fahrerverbände bestätigten gegenüber AFP, dass sie keine Aufzeichnungen über einen solchen Vorfall in der Ukraine haben.

Screenshot der Behauptung von X: 22. November 2023

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 wurden die normalen Seeverkehrswege durch militärische Handlungen beeinträchtigt. Straßen- und Schienentransport über die Nachbarländer Polen und Rumänien sind die einzigen Möglichkeiten, Lebensmittel, Öl oder militärische Ausrüstung in die Ukraine zu liefern und landwirtschaftliche Produkte wie Getreide aus dem Land zu exportieren.

Die Proteste der Spediteure führen zu Schwierigkeiten an der Grenze, die auch eine EU-Außengrenze ist. Das Foto, das in falschen Posts geteilt wurde, stammt aber nicht aus der Ukraine, sondern ist älter.

Bild eines Autobahnunfalls in Deutschland

Eine umgekehrte Bildsuche mit Google führte uns zu zwei Artikeln mit demselben Foto aus dem Jahr 2017: auf Polnisch und auf Deutsch. Beide berichten über einen Unfall auf der Autobahn A24 in der Nähe von Pritzwalk (hier archiviert) in Brandenburg, bei dem “ein Sattelauflieger komplett in Flammen stand.”

Der Artikel in polnischer Sprache enthält weitere Einzelheiten zu diesem Unfall und zitiert einen auf dem Facebook-Account der Brandenburger Polizei veröffentlichten Beitrag. Darin heißt es, dass der Brand an einem Sattelschlepper durch einen Reifenschaden ausgelöst worden war. Der polnische Artikel präzisierte, dass es sich bei dem Lkw um einen polnischen Lkw der Marke Scania gehandelt habe.

Meldung der Polizei Brandenburg im Jahr 2017, Screenshot vom 7. Dezember 2023

Weder ukrainische noch polnische Behörden wissen von einem Vorfall

Bei der Suche mit Yandex nach den ukrainische Schlüsselwörtern “підпал вантажівки з польськими номерами в Україні” (“Brandstiftung eines Lastwagens mit polnischen Kennzeichen in der Ukraine”) fand AFP keine relevanten Informationen über einen solchen Fall.

Eine Google-Suche mit denselben Stichwörtern in polnischer Sprache führte nur zu einem einzigen Hinweis — einem Artikel in der polnischen Zeitung “Rzeczpospolita” über die anhaltenden Proteste, in dem ein anonymer polnischer Autofahrer zitiert wird. Er befürchte Drohungen und wiederholte die Behauptung, dass “unbekannte Täter einen Sattelauflieger mit polnischen Kennzeichen in Brand gesetzt haben”, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Weder er noch die Zeitung haben jedoch Beweise für diese Behauptung vorgelegt.

Die ukrainische Polizei sagte AFP, dass sie keine Aufzeichnungen über jüngste Zwischenfälle zwischen polnischen Lkw-Fahrern und Ukrainern habe. “Ich teile Ihnen offiziell mit, dass die Nationale Polizei der Ukraine keinen Brandanschlag auf einen polnischen Lastwagen oder irgendwelche Fälle von Schlägereien oder Konflikten zwischen polnischen Fahrern und Ukrainern registriert hat”, sagte Olena Berezhna, eine Sprecherin der ukrainischen Polizei  am 29. November 2023 per Telefon gegenüber AFP. Sie sagte, sie habe die Polizeiaufzeichnungen von Anfang Oktober bis zum 29. November 2023 überprüft.

Die Pressestelle des polnischen Außenministeriums sagte ebenfalls, dass sie keine Aufzeichnungen über den Vorfall habe, der in dem falschen Social-Media-Post erwähnt wurde.”Wir möchten Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die polnischen diplomatischen Vertretungen in der Ukraine keinen solchen Fall registriert haben”, schrieb das Büro des Pressesprechers am 23. November 2023 in einer E-Mail an AFP.

Auch ZMPD, eine der größten Organisationen polnischer Lkw-Fahrer, wusste nichts von einem derartigen Vorfall.”Wir haben keine Berichte über einen solchen Vorfall von unseren Mitgliedern oder anderen Transportarbeiterorganisationen erhalten. Wenn es sich um echte Informationen handeln würde, hätten wir sicherlich davon gewusst”, sagte Jan Buczek vom ZMPD am 22. November 2023 am Telefon gegenüber AFP.

Fazit: Zwar gibt es zwischen polnischen und ukrainischen Lkw-Fahrern Spannungen wegen neuer Regelungen, die viele polnische Lenker als unfair empfinden. Doch gibt es keine glaubwürdigen Berichte darüber, dass ein polnischer Lastwagen in der Ukraine in Brand gesteckt wurde. Das online geteilte Bild zeigt einen Verkehrsunfall, der im Jahr 2017 in Deutschland geschah.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.