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Dieses deutsche Kunstprojekt beschäftigt sich mit Kinderlosigkeit

Dieses deutsche Kunstprojekt beschäftigt sich mit Kinderlosigkeit - Featured image

Author(s): Natalia SAWKA / Katharina ZWINS / AFP Polen

Das Bild einer Frau, die sich mit der Botschaft “Meine Blutlinie endet mit mir” in die Gebärmutter sticht, ist eine Kunstinstallation einer Studentin der Universität Greifswald, die im Sommer 2022 für einige Wochen in Güstrow, einer kleinen Stadt in Ostdeutschland, ausgestellt wurde. Die Studentin wollte damit ihren Willen zum Ausdruck bringen, keine Kinder zu bekommen. In sozialen Medien wird jedoch behauptet, die Plakatwand sei Teil einer öffentlichen Kampagne, die für die Selbststerilisation von Frauen werbe. Sowohl die Künstlerin als auch die Universität Greifswald verneinten das. Die Universität erklärte auch, dass sie nicht an der Förderung von Selbststerilisation beteiligt sei.

“‘Meine Blutlinie endet mit mir.’ Plakate wie dieses wurden in Deutschland entdeckt. Aufruf an deutsche Frauen zur Selbststerilisation”, heißt es in einem Posting auf Facebook. Userinnen und User teilen dazu ein Foto eines Plakats. Darauf zu sehen ist eine Frau in einer Krankenhausuniform auf türkisem Hintergrund, die eine Gebärmutter in der Hand zu halten scheint und diese mit einem Skalpell durchsticht. Rechts daneben steht auf Deutsch “Meine Blutlinie endet mit mir”.

Auch auf Polnisch kursierte die Behauptung. Ähnliche Beiträge mit der Behauptung, das Foto zeige eine “Abtreibungskampagne der Uni Greifswald”, wurden zudem auf X (ehemals Twitter) geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 21. November 2023

Nach Kontaktaufnahme mit Sophia Schütze, der Urheberin dieses Plakats, und der Universität Greifswald konnte AFP jedoch bestätigen, dass es sich um eine Kunstinstallation handelt, die im Juli und August 2022 für einige Wochen in Güstrow, einer kleineren Stadt in Nordostdeutschland, ausgestellt wurde.

Das Plakat wurde nicht geschaffen, um Frauen zur Selbststerilisation zu ermutigen, erklärten sowohl die Künstlerin als auch die Universität gegenüber AFP. Die Studentin Sophia Schütze schuf dieses Plakat im Rahmen eines Kunstkurses an der Universität Greifswald, einer Stadt im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern. Die Universität und die Künstlerin erklärten, das Plakat sei als Reaktion auf den “gesellschaftlichen Druck im Zusammenhang mit der Entscheidung der Künstlerin, keine Kinder zu bekommen” entstanden. Sophia Schütze sagte gegenüber AFP, dass sie kinderlose Menschen wie sie selbst in der Gesellschaft normalisieren wollte.

Umstrittenes Kunstwerk

Eine umgekehrte Bildersuche führte AFP zu deutschen Medienberichten (hier und hier), in denen steht, dass das Kunstwerk “Blutlinie” heißt.

“Eine junge Greifswalder Künstlerin wirbt mit drastischen Bildern für mehr Toleranz und Kontrolle über den eigenen Körper”, heißt es etwa in diesem Artikel vom 3. August 2022.

AFP fand heraus, dass Schütze auf Instagram über ihr Kunstwerk gepostet hat. Sie schrieb dazu auf Englisch: “Wer erinnert sich noch an das erste Plakat, das ich gemacht habe und das in meiner Stadt gezeigt wurde? Ich habe nun ein weiteres gemacht! Bonus: Das rechte deutsche Twitter hat es entdeckt und war super sauer darüber, nannte es eine “Abtreibungskampagne” meiner Universität. Nicht schon wieder der rechte Schwachsinn.”

Aus Medienberichten geht hervor, dass die Künstlerin zum damaligen Zeitpunkt 26 Jahre alt war und Kunst und Geschichte auf Lehramt studierte. In sozialen Medien wie X sorgte ihre Arbeit für Aufregung. Die rechtspopulistische deutsche Partei AfD war über das Werk der Künstlerin empört und veröffentlichte eine offizielle Erklärung dazu. Einige Websites bezeichneten das Kunstwerk als “neue Pro-Abtreibungskampagne” oder als “Ermutigung an Frauen zum Völkermord durch Abtreibung”. Der deutsche AfD-Politiker Dimitri Schulz schrieb auf seinem Facebook-Account, dass “solch eine Darstellung ein Angriff auf unsere Gesellschaft” sei.

Die Stimme der Kinderlosen stärken

AFP kontaktierte Sophia Schütze und fragte sie nach dem Kunstwerk. In einer E-Mail vom 5. Oktober 2023 teilte sie mit, dass “es in Güstrow, einer kleineren Stadt in Ostdeutschland, ausgestellt wurde” und dass “es etwa zwei oder drei Wochen lang hing und danach zusammen mit den Entwürfen der anderen Studenten abgenommen wurde”.

“Ich habe an diesem Werk im Rahmen eines meiner Kunstkurse an der Universität Greifswald gearbeitet, der sich ‘Public Art’ nennt und in dem Studenten die Möglichkeit haben, ihre Entwürfe auf öffentlichen Werbeflächen in der Stadt zu zeigen”, schrieb sie AFP. Schütze fügte hinzu, dass sie kinderlos sei und sich 2021 sterilisieren ließ, da sie “nie Kinder wollte und nie den Drang verspürte, Mutter zu werden”. Sie erläuterte, dass sie ihre Entscheidung seither nicht bereut habe und diese “einen großen Einfluss auf ihre künstlerische Arbeit” hatte.

Kunst im öffentlichen Raum

Schütze erklärte weiter, dass der Satz “Meine Blutlinie endet mit mir” von einem Beitrag inspiriert worden sei, den sie auf der Bloggingplattform Tumblr gefunden habe. Dort stand: “Warum sollte man sagen ‘Ich will keine Kinder’, wenn man auch sagen kann ‘Diese Blutlinie endet mit mir’, was viel dramatischer und vage bedrohlich ist?” Ihr Ziel sei es, wie sie gegenüber AFP anführte, “kinderlose Menschen wie sie selbst in einer Gesellschaft, die sich mehr und mehr für Zwangsgeburten einsetzt, anstatt sich um das Wohlergehen von Frauen und bereits existierenden Kindern zu kümmern, zu repräsentieren und zu normalisieren”.

“Ich glaube nicht, dass man dazu sagen muss, dass eine Sterilisation etwas ist, das man nicht zu Hause machen kann, also ist die Behauptung der Selbststerilisation völliger Unsinn”, führte Schütze weiter aus und erklärte, dass “die meisten Ärzte eine Sterilisation nicht einmal in Betracht ziehen, es sei denn, eine Frau hat bereits mindestens ein Kind und/oder hat ein bestimmtes Alter erreicht. Also ist es nicht so, dass Ärzte Sterilisationen und Hysterektomien (operative Entfernung der Gebärmutter, Anm. d. Red.) wie Süßigkeiten verteilen”.

In einer E-Mail vom 20. Oktober 2023 wies die Universität Greifswald die Behauptung zurück, dass sie in irgendeiner Weise Selbststerilisation unterstütze und bestätigte, dass das Kunstprojekt öffentlich ausgestellt wurde. “Das Werk ist eine Reaktion auf den gesellschaftlichen Druck, der mit der Entscheidung der Künstlerin, keine Kinder zu bekommen, verbunden ist. Im Zuge der Kampagne wurde das Plakat in Güstrow in sozialen Medien absichtlich in einen falschen Kontext gestellt”.

Sterilisation von Frauen

Sterilisation ist eine Methode, um eine Schwangerschaft dauerhaft zu verhindern. Dabei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, bei dem die Eileiter blockiert oder versiegelt werden, um zu vermeiden, dass Spermien und Eizellen zueinander finden und dann befruchtet werden. Die Wirksamkeit der Sterilisation zur Verhinderung einer Schwangerschaft liegt bei über 99 Prozent. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bedarf der Eingriff eines besonderen Schutzes der Patientinnen. Manchen Personen wie etwa Frauen, die noch kein Kind geboren haben, wird eher davon abgeraten, da der Eingriff nur sehr schwer rückgängig zu machen ist.

Obwohl es sich um einen relativ ungefährlichen Eingriff handelt und viele Frauen noch am selben Tag wieder nach Hause gehen können, handelt es sich dennoch um eine Operation, die unter Vollnarkose durchgeführt wird und daher im Krankenhaus stattfinden muss.

Die chirurgische Sterilisation ist in Deutschland legal – jedoch nur unter bestimmten Bedingungen. “Man muss mindestens 18 Jahre alt (und damit geschäftsfähig) sowie in der Lage sein, in diesen chirurgischen Eingriff einzuwilligen”, schrieb Juliane Reichard, eine deutsche Anwältin und Mitglied des Vereins “Selbstbestimmt steril”, AFP am 3. November 2023 per E-Mail. “Es liegt dann im Ermessen des Arztes, ob er den Eingriff vornimmt oder ob es zum Beispiel medizinische Indikationen gibt, die dagegensprechen”. Das können zum Beispiel körperliche Veranlagungen sein, die eine Operation zu riskant erscheinen lassen oder Zweifel des Arztes an der Ernsthaftigkeit des Wunsches. “Wer sich einer Sterilisation unterziehen will, muss aber auch vorher eine sehr klare und ausführliche Aufklärungs- und Einwilligungserklärung unterschreiben, die den Arzt rechtlich absichert”, fügte sie hinzu. Auch in Österreich ist Sterilisation erlaubt.

Die Kosten in Deutschland liegen zwischen 600 und 1000 Euro.

Deutsche Politik zur Förderung von Geburten

Deutschland hat seit Jahrzehnten mit sinkenden Geburtenraten zu kämpfen. Die Regierung unter der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel etwa hat daher Maßnahmen ergriffen, um Familien zu ermutigen, Kinder zu bekommen sowie um berufstätige Eltern zu unterstützen. Ab 2005 wurden Elterngeld und staatliche Mittel für die Kinderbetreuung erhöht. Dazu gehören beispielsweise die Verlängerung der Elternzeit und des Elterngeldes und die Verbesserung des Zugangs zur Kinderbetreuung.

Im Juli 2023 teilte das Statistische Bundesamt mit, dass im vergangenen Jahr in Deutschland insgesamt 738.819 Babys geboren wurden, was gegenüber 2021 einen Rückgang um acht Prozent auf 1,46 Kinder pro Frau bedeutet – der niedrigste Stand seit 2013, als die Geburtenziffer bei 1,42 Kindern pro Frau lag.

Fazit: In sozialen Medien wird ein Plakat mit der Falschbehauptung geteilt, es handle sich um eine öffentliche Kampagne, die für die Selbststerilisation von Frauen werbe. Das Bild einer Frau, die sich mit der Botschaft “Meine Blutlinie endet mit mir” in die Gebärmutter sticht, ist jedoch eine Kunstinstallation einer Studentin der Universität Greifswald, die im Sommer 2022 in einer Stadt in Ostdeutschland ausgestellt wurde. Sowohl die Künstlerin als auch die Universität bestätigten gegenüber AFP, dass es sich um eine Kunstinstallation im öffentlichen Raum handelt, die mit der Entscheidung der Künstlerin, keine Kinder zu bekommen, in Verbindung steht. Die Universität sei zudem nicht an der Förderung von Selbststerilisation beteiligt, heißt es.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.