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Dieses Poster wirbt für eine Dokumentation, nicht gegen Elternschaft

Dieses Poster wirbt für eine Dokumentation, nicht gegen Elternschaft - Featured image

Author(s): Petros KONSTANTINIDIS / AFP Deutschland / AFP Griechenland

Im Jahr 2020 wurde in Deutschland ein Dokumentarfilm über eine Randgruppenbewegung in Großbritannien ausgestrahlt, die sich aus Sorge um CO2-Emissionen dagegen entscheidet, Kinder zu bekommen. Der Film wurde mit Plakaten beworben. Im Juli 2023 kursierten Bilder dieses Plakats in griechischen Beiträgen in sozialen Netzwerken mit der Behauptung, es handele sich um eine Werbung, in der Mütter als „Klimakiller“ bezeichnet würden. Diese irreführenden Behauptungen lassen außer Acht, dass das Plakat einen Dokumentarfilm über zwei britische Paare bewirbt und nicht Mutterschaft an sich als schädlich kritisiert.

Der Dokumentarfilm heißt „Re: Kinderlos dem Klima zuliebe? Wenn Frauen in den Gebärstreik treten“. Die Doku wurde am 4. Februar 2020 vom französisch-deutschen Fernsehsender Arte ausgestrahlt.

Auf Plakatwänden und in sozialen Netzwerken wurde mit Plakaten mit der Aufschrift „Zukunft oder Klimakiller?“ geworben. Auf den Plakaten ist das Logo des Fernsehsenders Arte und Re:, der Name der deutschen Serie „Regards“ zu sehen.

In einem griechischsprachigen Facebook-Beitrag vom 8. Juli 2023, der ein Bild des Posters teilt, heißt es: „Dieser Slogan und dieses Foto (eine Mutter mit ihren beiden Kindern) erscheinen als Werbung in Deutschland! Einfach ausgedrückt: Wer Kinder hat, ist ein … Klimamörder!“ Ähnliche Beiträge wurden auf Facebook und Twitter geteilt.

Die Beiträge interpretieren das Plakat fälschlicherweise als öffentlichen Aufruf, kinderlos zu bleiben, und erwähnen nicht, dass es sich um Werbung für einen Film handelt.

 

Facebook-Screenshot der Behauptung: 17. Juli 2023

 

In einem Twitter-Beitrag wird sogar behauptet, dass das Plakat eine „soziale Botschaft“ sei und dass der Slogan besagt, dass „sie eine Klimamörderin ist“. Abschließend heißt es: „Willkommen im Deutschland des progressiven Hitler.“

Das Plakat löste im September 2020 in Deutschland ähnliche Reaktionen aus, unter anderem von den lokalen Organisationen der Partei AfD sowie von Politikerinnen und Politikern derselben Partei.

Dokumentarfilm „Birthstrike“ von 2019

Die englische Version des Dokumentarfilms heißt „Birthstrike: Staying Childless to Save the Planet“ (Geburtsstreik: Kinderlos bleiben, um den Planeten zu retten). Sie wurde 2019 für den Sender Arte vom Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert.

Es geht um zwei Paare in Großbritannien, die sich aus klimapolitischen Gründen dafür entschieden haben, entweder keine oder nur ein Kind zu bekommen. Die Paare sprechen vor der Kamera über ihre Entscheidung, keine weiteren Kinder in die Welt zu setzen. Der Film zeigt auch die Schwierigkeiten, mit denen die Paare aufgrund ihrer Entscheidung konfrontiert sind.

Im Mittelpunkt steht die Birthstrike-Bewegung, die auf der englischsprachigen Arte-Seite zum Dokumentarfilm als Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten beschrieben wird, die den Klimawandel bekämpfen, indem sie keine Kinder bekommen.

Die Bewegung wurde Ende 2018 von Blythe Pepino gegründet, einer britischen Musikerin, die in der Arte-Dokumentation auftritt. Internationale Medien berichteten über die Birthstrike-Bewegung, auch in griechischen und deutschen Medien wurde darüber berichtet.

Screenshot aus der Dokumentation auf der deutschen Seite von Arte. Erstellt am 18. Juli 2023

Die Dokumentation wurde auf der Facebook-Seite von Arte mit einem kurzen Video beworben. Es zeigt dieselbe Frau und dieselben Kinder sowie den Text „Zukunft oder Klimakiller?“, die auf dem Plakat zu sehen sind, das in sozialen Netzwerken geteilt wurde.

Screenshotvergleich zwischen dem Trailer von Arte und dem in sozialen Netzwerken geteilten Poster. Erstellt am 18. Juli 2023

Kinder und Klimawandel

Bei Minute 11:20 erwähnt der Dokumentarfilm wissenschaftliche Erkenntnisse der Universität Lund in Schweden, wonach mit jedem Kind, das nicht geboren wird, jährlich rund 58,5 Tonnen CO2 eingespart werden können.

Eine Google-Suche ergab, dass die Ergebnisse im Mai 2017 von den Forschenden Seth Wynes und Kimberly A. Nicholas von der Universität Lund in der frei zugänglichen Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht wurden. Das Papier befasst sich mit den Auswirkungen von Entscheidungen für bestimmte Lebensstile auf die Treibhausgasemissionen, die die Klimaerwärmung vorantreiben.

Darin werden vier Maßnahmen aufgeführt, die die größten Auswirkungen auf die Verringerung der jährlichen persönlichen Emissionen haben würden. Die erste besteht darin, ein Kind weniger zu bekommen, was der Analyse zufolge in den Industrieländern im Schnitt 58,6 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen würde.

Darauf folgen ein autofreies Leben (2,4 Tonnen eingesparte CO2-Emissionen pro Jahr), die Vermeidung von Flugreisen (1,6 Tonnen pro Transatlantikflug) und eine pflanzliche Ernährung (0,8 Tonnen pro Jahr).

Es wird jedoch klargestellt, dass die Berechnungen für westliche Länder (EU, USA, Kanada und Australien) durchgeführt wurden. In der Arte-Dokumentation heißt es, dass die Treibhausgasemissionen eines in Malawi in Ostafrika geborenen Kindes nur 0,1 Tonnen pro Jahr betragen würden, aber diese Aussagen werden in der Dokumentation nicht durch Belege gestützt.

In dem Papier der Universität Lund wird auch kritisiert, dass sich die staatlichen Mittel gegen den Klimawandel in der EU, den USA, Kanada und Australien auf einzelne Maßnahmen konzentrierten, die nur geringe Auswirkungen haben – beispielsweise das Einsparen von Wasser oder das Pflanzen von Bäumen – und nicht auf Maßnahmen mit großen Auswirkungen.

Diese Infografik auf der Website von einem der Forschenden veranschaulicht die Ergebnisse.

Grafik mit Daten aus der Studie „The Climate Mitigation Gap: Education and Government Recommendations miss the most effective individual actions“ von Seth Wynes und Kimberly A. Nicholas, 2017. Bildnachweis: Catrin Jacobsson

Über die Ergebnisse der Studie wurde in den Medien ausführlich berichtet, zum Beispiel hier und hier. Das Thema hat jedoch eine Debatte ausgelöst: Einige sind der Meinung, dass bei den Berechnungen der Kohlenstoffemissionen künftiger Menschen die Politik der jeweiligen Regierungen berücksichtigt werden sollte, die darauf abzielt, den Kohlenstoffausstoß der einzelnen Person zu begrenzen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich einig, dass die Kohlenstoffemissionen der Menschen, die fossile Brennstoffe verheizen, den Klimawandel verursachen, wie AFP bereits in Faktenchecks erklärt hat. Dadurch steigt das Risiko von Katastrophen wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren, während gleichzeitig die Eisschilde der Erde stark darunter leiden.

Der Weltklimarat IPCC, stellte in seinem Bericht von 2021 fest: „Es ist eindeutig, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, die Ozeane und das Land beeinflusst hat.“

Fazit: Das verbreitete Poster bezieht sich auf einen Dokumentarfilm, der 2020 in Deutschland ausgestrahlt wurde. Darin geht es um eine Randgruppenbewegung, die sich dafür entscheidet, keine Kinder zu bekommen, um den Klimawandel nicht weiter voranzutreiben.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.