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Tech-Firmen haben mit Flut an Falschmeldungen über Israel und den Gazastreifen zu kämpfen

Tech-Firmen haben mit Flut an Falschmeldungen über Israel und den Gazastreifen zu kämpfen - Featured image

Author(s): Anuj CHOPRA / AFP Deutschland

Von Fake-Accounts, die sich als Journalisten ausgeben, bis zu Kriegs-Computerspielen, die Wahrheiten verdrehen: Tech-Plattformen kämpfen mit einem Tsunami an Falschinformationen rund um den Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, nachdem sie ihre Maßnahmen zur Inhaltsmoderation zurückgenommen haben. 

Fehlinformationen haben sich inmitten des Konflikts zwischen Israel und den Hamas online verbreitet, wie von AFP bereits mehrfach untersucht wurde, zum Beispiel hier, hier, hier und hier.

Große Weltereignisse lösen häufig eine Flut an Falschmeldungen aus. Doch Forscher sagen, dass das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Verbreitung von Fehlinformationen nach dem tödlichen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am Wochendende vom 7. und 8. Oktober 2023 beispiellos gewesen sei.

Der Konflikt biete eine düstere Fallstudie über die verminderten Kapazitäten prominenter Plattformen wie Metas Facebook und X, früher als Twitter bekannt, um Falschinformationen zu bekämpfen. Ein Klima von Entlassungen und Kosteneinsparungen habe die Sicherheitsteams und das Vertrauen ausgehöhlt, so die Forscher.

Vor allem bei X, das Elon Musk gehört, verschärft sich das Problem durch eine Reihe umstrittener Maßnahmen wie die Wiederherstellung von Konten, die falsche Verschwörungstheorien verbreiteten, oder ein Programm zur Verteilung von Werbeeinnahmen mit Content-Erstellern, welches laut Forscherinnen und Forschern Anreize für hohe Interaktionszahlen, aber nicht für Genauigkeit schaffe.

Expertinnen und Experten befürchten, diese Maßnahmen könnten das Risiko erhöhen, dass Fehlinformationen in der echten Welt Schaden anrichten und Hass und Gewalt schüren – insbesondere in sich schnell entwickelnden Krisenszenarien wie dem in Israel und dem Gazastreifen.

“Soziale Medienplattformen haben Mühe, mit der ständigen Flut von Fehlinformationen und Aufrufen zur Gewalt Schritt zu halten”, sagte Andy Carvin vom Digital Forensic Research Lab (DFRLab) des Atlantic Council, einer Public Policy Denkfabrik in Washington, USA, gegenüber AFP.

“Es ist ein Trend, der sich schon seit einiger Zeit abzeichnet, und er hat sich durch die Entlassungen von Vertrauens- und Sicherheitsteams nur noch verschlimmert, was ihre Fähigkeit, mit dem Chaos Schritt zu halten, beeinträchtigt”, so Carvin.

“Und im Fall von X haben die Änderungen an der Plattform eine ihrer größten Stärken völlig zunichte gemacht – die Überwachung von Eilmeldungen und die Unterstützung der Nutzerinnen und Nutzer bei der Unterscheidung von Fakten und Fiktion,” sagte Carvin.

“Flut von Betrügern” 

Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien werden mit gefälschten Kampffotos, alten Videos aus Syrien, die so präsentiert werden, als ob sie aus dem Gazastreifen kämen, und Aufnahmen aus Videospielen, die als Kampfaufnahmen des Hamas-Angriffs ausgegeben werden, bombardiert, so die Desinformationsforscherinnen und -forscher.

Ein Bild, das im Internet kursierte, zeigte angeblich israelische Soldaten, die von der Hamas gefangen genommen wurden. AFP fand jedoch heraus, dass das Bild im Jahr 2022 während einer Militärübung in Gaza aufgenommen wurde.

Facebook Screenshot vom 8. Oktober 2023

Die AFP fand ebenfalls mehrere Beiträge auf X, Facebook und TikTok, die ein gefälschtes Dokument angeblich vom Weißen Haus zeigten, in dem Israel acht Milliarden Dollar an Militärhilfe zugesprochen wurden.

“Die schiere Menge an manipulierten, gefälschten, alten Videos und Bildern von Angriffen, die (online) kursieren, macht es schwieriger zu verstehen, was in Israel und Gaza vor sich geht”, sagte Alessandro Accorsi, ein Senior Analyst bei der Denkfabrik Crisis Group.

Accorsi äußerte “große Bedenken”, dass die Fehlinformationen, insbesondere gefälschte Bilder von Geiseln, darunter auch Kinder, die Gewalt anheizen könnten.

“In Krisen wie terroristischen Gräueltaten, Kriegen und Naturkatastrophen neigen die Menschen dazu, sich auf Social-Media-Plattformen zu stürzen, um schnell gut zugängliche Informationen zu erhalten”, sagte Imran Ahmed, Geschäftsführer des Center for Countering Digital Hate, gegenüber AFP.

“(Aber) die Flut von Betrügern, die Lügen und Hass verbreiten, um Online-Interaktionen und Anhänger zu gewinnen, kombiniert mit Algorithmen, die diese extremen und beunruhigenden Inhalte fördern, ist der Grund, warum Social Media tatsächlich ein so schlechter Ort ist, um an zuverlässige Informationen zu gelangen.”

“Grundlegend kaputt”

Dazu kommt, dass Tech-Firmen ihre Bemühungen zur Verbesserung der Informationsqualität aufzugeben scheinen.

Die Anzahl an Personen, die über soziale Netzwerke wie Facebook und X auf Nachrichtenseiten gelangen, ist im Laufe des vergangenen Jahres dramatisch abgefallen. Das zeigen Daten des Marktforschungsunternehmens Similarweb, welche in US-Medien zitiert wurden.

Anfang Oktober 2023 traf X die Entscheidung, Links künftig nur noch als Bilder und ohne Titel anzuzeigen, eine Veränderung, die laut Experten die Besucherzahlen der Nachrichtenseiten noch weiter verringern könnte.

Musk selbst erntete harsche Kritik, als er seine fast 160 Millionen Follower auf X aufforderte, zwei “guten” Accounts zu folgen, um sich über den Krieg zu informieren – beide der Konten sind als Verbreiter von Fehlinformationen bekannt.

Screenshot vom inzwischen gelöschten Post von Elon Musk 10. Oktober 2023reenshot vom 10. Oktober 2023

Musk löschte zwar seinen Beitrag später wieder, doch wurde er zuvor Millionen Mal gesehen. X reagierte nicht auf eine Anfrage von AFP nach einem Kommentar.

“Obwohl es immer noch zahllose talentierte Journalisten und Forscher gibt, die X nutzen, um der Öffentlichkeit zu helfen, besser zu verstehen, was vor sich geht, ist das Signal-Rausch-Verhältnis unerträglich geworden”, sagte Carvin von DFRLab.

“Der Nutzen als zuverlässiges Recherche- und Berichterstattungsinstrument ist grundlegend kaputt und wird sich möglicherweise nie wieder erholen.”

Dieser Artikel ist eine Übersetzung eines englischsprachigen Artikels von Anuj Chopra, AFP-Korrespondent für Desinformation in Washington.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.