In sozialen Netzwerken kursiert ein Ausschnitt einer angeblich aktuellen polnischen Nachrichtensendung. Demnach planten die Nachbarstaaten der Ukraine, Polen, Ungarn, Rumänien und Russland, sich große Teile des ukrainischen Territoriums untereinander aufzuteilen, heißt es. Das Video ist echt, stammt allerdings aus dem Jahr 2014 und illustriert den Vorschlag eines rechtsextremen russischen Politikers zur Teilung der Ukraine an die polnische Regierung.
Das Video wurde Ende März 2023 auf Facebook geteilt. Derselbe Clip kursierte allerdings bereits seit März vergangenen Jahres auf Serbisch und wurde von AFP hier widerlegt.
Die Behauptung: Das aktuell geteilte Video zeigt eine Karte der Ukraine in den ukrainischen Nationalfarben blau und gelb. Einzelne Teile des ukrainischen Staatsgebietes gehen nach und nach an die Nachbarländer Polen, Ungarn, Rumänien und Russland. Im Beitragstext heißt es dazu: “Heute im polnischen TV!! Die Karte zeigt, dass der gesamte Süden und Osten der Ukraine zu Russland gehören wird. Der westliche Teil wird sich Polen anschließen. Kleine Teile des Territoriums werden an Rumänien und Ungarn gehen.”
Im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird Polen, einer der engsten Verbündeten der Ukraine, immer wieder zum Ziel von Desinformation. So überprüfte AFP in der Vergangenheit etwa ein Video, das zeigen soll, wie polnische Bürgerinnen und Bürger vor einer angeblichen Mobilmachung fliehen oder eine Wetterkarte, die angebliche Bestrebungen Polens, Teile der Ukraine zu annektieren, belegen soll. In beiden Fällen handelte es sich um Fälschungen. Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP hier.
Echter Ausschnitt aus polnischer Nachrichtensendung
Die aktuell geteilten Beiträge in sozialen Netzwerken suggerieren, dass es sich bei der gezeigten Teilung um aktuelle polnische Pläne handelt, die Ukraine unter ihren Nachbarn aufzuteilen. Der Ausschnitt stammt tatsächlich aus einer Sendung des polnischen Fernsehens. Die Städtenamen und die Namen der Nachbarländer auf der Karte sind in polnischer Sprache gehalten und auch die Off-Stimme spricht Polnisch. In der oberen rechten Ecke des Bildes erscheint zudem das Logo des staatlichen polnischen Senders TVP1.
Eine Google-Suche mit den polnischen Suchbegriffen “Karte”, “Teilung”und “Ukraine” führte AFP zu einem Beitrag, der bereits vor neun Jahren, am 23. März 2014, kurz nach der russischen Annexion der Krim auf der Website von TVP veröffentlicht wurde. Der Bericht trägt den Titel: “Duma an das polnische Außenministerium: Lasst uns die Ukraine spalten” und behandelt ein Angebot des mittlerweile verstorbenen russischen Abgeordneten Wladimir Schirinowski an das polnische Außenministerium.
Demnach habe das Außenministerium in Warschau ein offizielles Schreiben der russischen Duma mit einem Vorschlag zur Aufteilung der Ukraine erhalten, heißt es in dem TVP-Beitrag. Die Duma ist das Unterhaus der Föderationsversammlung Russlands, dem russischen Parlament. Schirinowski verstarb Anfang April 2022 in Moskau. An seiner Beerdigung am 8. April 2022 nahm auch der russische Präsident Wladimir Putin teil, wie AFP berichtete.
In dem Schreiben schlägt der damalige Vorsitzende der ultranationalistischen LDPR-Partei, Wladimir Schirinowski, Polen vor, ein Referendum über die Annexion von fünf westukrainischen Regionen – Wolhynien, Lwiw, Iwano-Frankiwsk, Ternopil und Riwne – abzuhalten, heißt es in dem Bericht. Ein ähnliches “Angebot” sei demnach an Ungarn und Rumänien in Bezug auf die Regionen Transkarpatien, beziehungsweise Czernowitz übermittelt worden. Russland sollte den Osten und Süden der Ukraine annektieren, sodass lediglich der zentrale Teil der Ukraine als Rumpfstaat erhalten bliebe.
Dumaabgeordneter schug Teilung der Ukraine vor
In demselben Bericht bestätigt der Sprecher des polnischen Außenministeriums Marcin Wojciechowski bei Minute 0:44, “dass die polnische Botschaft in Moskau einen Brief des Abgeordneten Wladimir Schirinowski erhalten hat, in dem dieser wiederholt, was er bereits in der Vergangenheit in der Duma und in den russischen Medien gesagt hat.”
Zur Veranschaulichung von Schirinowskis Idee zeigt der TVP-Bericht zwischen Minute 1:15 und 1:19 eine sich wandelnde Karte der Ukraine, in der einzelne Regionen des Landes von dessen Nachbarstaaten übernommen werden. Es ist dieselbe Karte, die in dem aktuell geteilten Ausschnitt zu sehen ist.
Das polnischen Außenministerium habe den Brief als “sehr bizarr” bezeichnet, hieß es damals in dem Bericht von TVP. In einer separaten Erklärung bezeichnete Wojciechowski das Schreiben als “sehr seltsam”. “Wir werden höflich antworten, aber nicht auf den Inhalt des Briefes eingehen”, sagte Wojciechowski am 24. März 2014. Wojciechowski bedauerte auch, dass einige Russen “immer noch im Sinne des Molotow-Ribbentrop-Pakts denken”, wie Reuters damals berichtete. Der Pakt zwischen Moskau und Berlin aus dem Jahr 1939 beinhaltete die Aufteilung von Interessenszonen in Osteuropa, einschließlich der Ukraine.
Polen ist einer der engsten Verbündeten der Ukraine
Łukasz Kister vom Institut für internationale Beziehungen am Collegium Civitas, erklärte in dem Bericht gegenüber TVP, dass es sich bei dem Brief um eine “russische Provokation” handele. Über Schirinowskis Vorschlag wurde auch in internationalen Medien berichtet. Schirinowski hatte bereits in einem Interview vom Juli 2014 (bei Minute 12:01) gesagt, dass die “Spaltung der Ukraine unvermeidlich ist”.
Einem Bericht von Newsweek Poland zufolge wurde dieselbe Karte bereits 2015 von russischen Medien als angeblicher polnischer Plan zur Teilung der Ukraine präsentiert: “Die Karte der Teilung der Ukraine ist nach den Minsker Vereinbarungen erneut auf die Bildschirme der russischen Medien gekommen”, heißt es dort.
Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, einschließlich Polen, haben wiederholt erklärt, dass sie die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine unterstützen. Polen ist einer der engsten Verbündeten der Ukraine und unterstützt das Land mit massiven Militärhilfen gegen die russische Aggression. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte erst am 5. April 2023 Warschau, wo er den polnischen Präsidenten Andrzej Duda und Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zu Gesprächen traf, wie AFP berichtete.
Fazit: Die Karte zur Teilung der Ukraine wurde 2014, nicht aktuell, in einer polnischen Nachrichtensendung gezeigt. Sie illustriert den damaligen Vorschlag eines rechtsradikalen russischen Politikers, einen Großteil des ukrainischen Territoriums zwischen Polen, Ungarn, Rumänien und Russland aufzuteilen. Polen bekennt sich zur territorialen Integrität der Ukraine und unterstützt das Land gegen die russische Aggression.