Die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich einig, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe die treibende Kraft des Klimawandels ist. In einem Video, das in sozialen Medien hunderttausendfach angesehen wurde, behauptet jedoch ein Meteorologe fälschlicherweise, dass Unterwasservulkane – beispielsweise jener, der 2022 in Tonga ausbrach – für die globale Erwärmung verantwortlich seien. Er behauptet außerdem, dass es genügend Bäume in den USA gibt, um den gesamten CO2-Ausstoß des Landes zu kompensieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen aber, dass solche Vulkanausbrüche nur eine kurzzeitige Auswirkung auf das Klima haben, und dass die Wälder in den USA nur einen Bruchteil der CO2-Emissionen absorbieren können.
Der US-amerikanische Wettermoderator Joe Bastardi, Chefmeteorologe des Analyseunternehmens Weatherbell und prominenter Klimaskeptiker mit ehemaligen Verbindungen zur fossilen Brennstoffindustrie, stellte diese Behauptungen in einem englischsprachigen Interview mit dem Moderator Stu Burguiere des Streamingdienstes BlazeTV auf, das am 4. Oktober 2023 auf Facebook veröffentlicht wurde.
Laut Bastardi sei die globale Erwärmung auf riesige Mengen von Wasserdampf zurückzuführen, die sich im Laufe der Jahre, in denen Unterwasservulkane aktiv waren, angesammelt hätten. Hinzu käme das wiederholte Auftreten des El-Niño-Erwärmungsphänomens.
Er sieht den “eigentlichen Auslöser” im großen Unterwasservulkan, Hunga Tonga-Hunga Ha’apai (HTHH), der im Januar 2022 ausbrach. “Diese Hotspots, die sich im Ozean bilden, beeinflussen das Wetter.”
Die Eruption — laut neuseeländischen Forschern die größte, die jemals aufgezeichnet wurde — schoss Gase und Aerosole über 50 Kilometer in die Höhe und erwärmte die Atmosphäre, wie Untersuchungen zeigten. Experten bestritten gegenüber AFP jedoch die Behauptung, dass Unterwasservulkane für die zunehmende Erderwärmung verantwortlich seien.
Stuart Jenkins, Hauptautor einer Studie der Universität Oxford zum Tonga-Ausbruch, sagte, dass selbst ein so “gewaltiger Ausbruch nicht ausreichen würde, um die globale Oberflächentemperatur um mehr als ein paar Hundertstel Grad Celsius zu verändern”. Und selbst dann wäre eine solche Abweichung “nur vorübergehend” und würde sich “über die folgenden fünf Jahre wieder auflösen”, sagte der Physiker.
Mehrere Studien weisen darauf hin, dass der Tonga-Ausbruch die Atmosphäre in den nächsten fünf Jahren erwärmen könnte, da er eine große Menge an Wasserdampf freisetzte, das als Treibhausgas fungiert.
Das Team um Jenkins kam zu dem Schluss, dass dies dazu beitragen könnte, die Erwärmung der Erde über die 1,5°C-Marke zu treiben, die von der Wissenschaft als wichtige Schwelle für schwerwiegende Klimaauswirkungen angesehen wird.
Längerfristig hänge die Erwärmung jedoch von menschlichen Emissionen ab, sagten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter. Die globalen Temperaturen sind bisher um etwa 1,2°C im Vergleich zu den vorindustriellen Werten gestiegen.
“Wir bräuchten eine riesige Anzahl großer Ausbrüche wie den von Tonga, um eine globale Erwärmung von 1,2°C aufrechtzuerhalten, und noch mehr, um sie im Laufe der Zeit zu erhöhen, wie wir es bei den globalen Temperaturen beobachtet haben”, erklärte Jenkins am 11. Oktober 2023 in einer E-Mail an AFP.
“Absurde” Vulkan-Theorie
Der Weltklimarat (IPCC), ein Konsortium angesehener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, hat die klimawirksame Rolle der vom Menschen verursachten Emissionen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen umfassend dokumentiert. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.
“Die Vorstellung, dass Unterwasservulkane die Hauptursache für die globale Erwärmung sein könnten, ist offen gesagt absurd… die Wärme, die alle Vulkane freisetzen, ist ein vernachlässigbarer Beitrag zum Gesamtenergiehaushalt der Erde”, erklärte Georg Feulner, ein leitender Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, in einer E-Mail an AFP am 12. Oktober 2023.
“Außerdem gibt es keine Beweise für eine erhöhte vulkanische Aktivität in den letzten Jahrzehnten, ganz im Gegensatz zu den atmosphärischen Kohlendioxidkonzentrationen, die immer noch ansteigen — und eine Erwärmung verursachen, wie seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist.”
Überirdische Vulkanausbrüche können die Erde abkühlen, indem sie Partikel ausstoßen, die die Sonnenwärme reflektieren. Die Unterwasserexplosion von Tonga war anders, weil sie auch große Mengen an Wasserdampf ausstieß.
Aber “der Effekt würde sich verflüchtigen, wenn der zusätzliche Wasserdampf aus der Stratosphäre entweicht, und wäre nicht ausreichend, um die Auswirkungen des Klimawandels merklich zu verschärfen”, so die US-Raumfahrtbehörde NASA in einer Analyse.
Jenkins räumte ein, dass “heiße und kalte Stellen” auf der Erdoberfläche einzelne Wetterereignisse beeinflussen können, aber “über den Globus gemittelt tragen sie nicht zu der von uns beobachteten langfristigen globalen Erwärmung bei”.
Der Einfluss amerikanischer Bäume
In dem Video sagt Bastardi unter anderem: “Die Vereinigten Staaten haben genug Laubgewächs, um alle (CO2-)Emissionen loszuwerden, die wir haben. Wir haben 229 Milliarden Bäume in den Vereinigten Staaten.”
Eine Studie, die 2015 in der Wissenschaftszeitschrift “Nature” erschien, kam auf eine ähnliche Zahl, nämlich mehr als 228 Milliarden Bäume (“Supplementary Table 2”).
Daten des Global Carbon Project zeigen, dass die Vereinigten Staaten im Jahr 2021 über fünf Milliarden Tonnen CO2 emittiert haben.
Aus den Zahlen von Global Forest Watch geht hervor, dass die Wälder des Landes zwischen 2001 und 2022 weitaus weniger Kohlenstoffdioxid absorbiert haben: 1,52 Milliarden Tonnen CO2-äquivalente Gase — das ist ein Maß, das auch andere Treibhausgasemissionen wie Methan miteinbezieht. Berücksichtigt man die von den Wäldern ausgestoßene Menge an CO2, so betrug die absorbierte Nettomenge etwas mehr als 700 Millionen Tonnen — weniger als ein Siebtel der Gesamtmenge.
Separate Daten, die im Gas Inventory der US-Umweltschutzbehörde veröffentlicht wurden, zeigen, dass Land und Wälder in den USA im Jahr 2021 zusammen eine Nettomenge von etwa 750 Millionen Tonnen CO2 absorbiert haben.
Land und Wälder in den USA “sind eine viel geringere Netto-Senke als die Emissionen der USA aus fossilen Brennstoffen”, sagte David Gibbs, ein leitender Forscher bei Global Forest Watch.
Behauptungen zu den Überschwemmungen in New York
In seinem irreführenden Video weist Joe Bastardi Warnungen zurück, dass der Sturm, der am 29. September 2023 in New York U-Bahnen-Stationen und einen Flughafen überflutete, durch den Klimawandel, der die Ozeane erwärmt, verschlimmert wurde.
“Schaut man sich die Temperaturen in New York City an, so lagen sie in dem Zeitraum, in dem der Sturm auftrat, unter dem Normalwert und (…) die Meeresoberflächentemperaturen haben sich um New York herum dramatisch abgekühlt”, fügt er hinzu und weist die Annahme zurück, dass der Sturm durch einen wärmeren Ozean verursacht wurde.
Daten der amerikanischen Wetterbehörde NOAA zeigen, dass das Wetter in New York am Tag des Sturms kühler als normal war. Aber “das Überschwemmungsereignis vom September 2023 in New York ist mit einem Sturm größeren Ausmaßes verbunden, und die Zuordnung zu den lokalen Temperaturhöchst- und -tiefstwerten zu diesem speziellen Zeitpunkt ist überhaupt nicht von Bedeutung”, so die NOAA in einer E-Mail an AFP.
Längerfristig zeigen die NOAA-Grafiken (1, 2 und 3) zu Messungen an drei Punkten rund um New York, dass die durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur in den letzten drei Jahrzehnten leicht angestiegen ist.
Eine von der US-Regierung durchgeführte Analyse von NOAA-Daten, die bis ins Jahr 1901 zurückreichen, ergab, dass Starkniederschläge in den meisten Teilen der Vereinigten Staaten, insbesondere im Nordosten und Mittleren Westen, intensiver und häufiger wurden. Die Auswirkungen waren jedoch ungleichmäßig und einige Regionen wurden von Dürren heimgesucht.
Das IPCC urteilte in einem großen Bericht aus dem Jahr 2021, dass “die Häufigkeit und Intensität von Starkniederschlagsereignissen seit den 1950er-Jahren in den meisten Landgebieten, in denen Beobachtungsdaten für eine Trendanalyse ausreichen, zugenommen haben (…) und dass der vom Menschen verursachte Klimawandel wahrscheinlich die Hauptursache dafür ist”.
Verbindungen zur fossilen Industrie
Die investigative Website DeSmog hat Bastardis Verbindungen zur Industrie für fossile Brennstoffe dokumentiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass große Unternehmen der Branche daran gearbeitet haben, die Öffentlichkeit über die Rolle der Emissionen fossiler Brennstoffe beim Klimawandel falsch zu informieren.
In von DeSmog veröffentlichten Dokumenten wird Bastardi als Redner bei Foren aufgeführt, die 2015 und 2016 von einem Gasunternehmen veranstaltet wurden. Eine der Veranstaltungen wurde von Firmen wie den Ölkonzernen BP und Shell gesponsert, wie Fotos zeigen.
In den Jahren 2013 und 2014 wurde er als Redner auf Konferenzen der Kohleindustrie in New York und Colorado aufgeführt — auf letzterer bezeichnete er den vom Menschen verursachten Klimawandel als “Betrug”.
Im Video spricht Bastardi auch über die sogenannte Carbon Capture Technologie (CCS), ein Verfahren, bei dem man bei industriellen Prozessen CO2 abscheiden und speichern kann, bevor es in die Atmosphäre eintritt. Ölkonzerne sehen darin eine Lösung, zumindest kurzfristig ihre Netto-Emissionen zu senken.
“Wenn man es loswerden will, pflanzt man mehr Bäume, Atomkraft, und wir haben jetzt etwas anderes, das sich Point-of-Combustion-Carbon Capture (Kohlenstoff-Abscheidung) nennt, mit anderen Worten, man muss es nicht freisetzen. Niemand weiß davon”, sagt er.
Das IPCC sieht dies als eine der nötigen Methoden, um die Erderwärmung zu bekämpfen. Kohlendioxid-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung (CCUS) befindet sich allerdings noch in Entwicklung. Laut der Internationalen Energieagentur IEA befinden sich derzeit mehr als 500 Projekte in unterschiedlichen Fortschrittsstadien.
Aber sie gibt zu bedenken: “Selbst bei einem solchen Niveau bliebe der Einsatz von CCUS weit hinter dem zurück, was im Netto-Null-Szenario erforderlich ist” — dem Weg zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf weniger als 1,5°C.
Fazit: Vulkanausbrüche können zwar einen geringfügigen Einfluss auf das globale Klima haben, doch tragen sie nicht maßgeblich zur Erderwärmung bei. Stattdessen sind menschliche Emissionen von Treibhausgasen wie CO2 dafür verantwortlich, erklärten Experten. Durch die Erderwärmung verändern sich Klimamuster und verschärfen sich Extremwetterereignisse, etwa die Überschwemmungen in New York, die wahrscheinlich durch wärmere Meerestemperaturen verschärft wurden.