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Nein, der ukrainische Präsident hat nicht gefordert, dass US-Truppen in der Ukraine sterben sollen

Nein, der ukrainische Präsident hat nicht gefordert, dass US-Truppen in der Ukraine sterben sollen - Featured image

Author(s): Feliks TODTMANN / Bill MCCARTHY / AFP USA

Im Falle eines bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Nato würden auch US-amerikanische Soldatinnen und Soldaten sterben, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Ende Februar 2023 auf einer Pressekonferenz. Online wird ein Ausschnitt der Veranstaltung geteilt, der den Eindruck erweckt, Selenskyj habe gefordert, die “Söhne und Töchter” der USA müssten in der Ukraine sterben. Die Originalaufnahme zeigt jedoch, dass er vielmehr vor einer Niederlage der Ukraine warnte, die eine Konfrontation zwischen Russland und der Allianz zur Folge haben könne.

Hunderte User haben Anfang März ein Video des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf einer Pressekonferenz anlässlich des Jahrestages der russischen Invasion seines Landes auf Facebook (hier, hier) geteilt. Der Clip verbreitete sich auch auf Twitter und Telegram und wurde auf Englisch und Niederländisch geteilt. In den USA verbreiteten der konservative Aktivist Jack Posobiec, der rechtsextreme Radiomoderator Stew Peters und andere verschwörungserzählerische Accounts die Behauptungen.

Die Behauptung: “Dieses Video empört gerade sehr viele Amerikaner auf Twitter”, heißt es in den Postings zu dem Selenskyj-Video. In dem Clip ist eine Simultanübersetzerin zu hören, die die Worte des ukrainischen Präsidenten ins Englische übersetzt. Demnach sagt er: “Die USA werden ihre Söhne und Töchter genauso schicken müssen, wie wir unsere Söhne und Töchter in den Krieg schicken. Sie werden kämpfen müssen, weil wir über die NATO sprechen, und sie werden sterben, Gott bewahre, denn das ist eine schreckliche Sache.” Angeblich handele es sich dabei um eine Warnung an die USA, dass sie Soldatinnen und Soldaten entsenden müssten, sollte die Ukraine den Krieg verlieren.

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 3. März 2023 – AFP

Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine vor einem Jahr kursieren immer wieder Behauptungen in sozialen Medien, die den ukrainischen Präsidenten als Kriegstreiber darstellen. AFP überprüfte in diesem Zusammenhang etwa diese Serie gefälschter Karikaturen des Präsidenten oder diese Behauptung, die Ukraine fordere Waffen und keine Hilfsgüter. Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP hier.

Auch der aktuell geteilte Clip verzerrt Selenskyjs Aussagen auf irreführende Weise. Der 19 Sekunden lange Ausschnitt zeigt lediglich einen Teil seiner Aussage. Aus den vollständigen Äußerungen geht hervor, dass Selenskyj nicht über einen möglichen Einsatz US-amerikanischer Truppen zur Verteidigung seines Landes spricht. Vielmehr entwirft er ein Szenario, was passieren könnte, wenn die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung zurückfahren. Russland könne sich dadurch ermutigt fühlen, einen Nato-Staat anzugreifen.

Folgen eines russischen Angriffs auf einen Nato-Staat

Die Aufnahme, die in sozialen Netzwerken kursiert, stammt aus der Aufzeichnung einer Pressekonferenz des ukrainischen Präsidenten, die die englische Tageszeitung “The Telegraph” am 24. Februar 2023, dem Jahrestag der russischen Invasion der Ukraine, veröffentlichte.

Ab Minute 1:37:38 antwortet der ukrainische Präsident auf die Frage eines US-Journalisten, welche Botschaft er, Selenskyj, an US-Bürger habe, die der Meinung sind, ihr Land leiste der Ukraine zu viel Hilfe. Selenskyj dankt zunächst den US-amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern für ihre Unterstützung, die sich mittlerweile auf mehr als 50 Milliarden US-Dollar beläuft. Daraufhin beschreibt er die möglichen Folgen für die USA im Falle eines russischen Sieges.

Selenskyjs Äußerungen

AFP übersetzte Selenskyjs Antwort aus dem ukrainischen Original, wobei der Teil, auf den online verwiesen wird, fett hervorgehoben ist:

"Amerika wird die Nato-Länder niemals im Stich lassen, niemals. Und wenn es so sein sollte, dass die Ukraine keine Unterstützung erhält – aufgrund verschiedener Meinungen, weil die Unterstützung nachlässt – wird Russland in die Nato-Staaten kommen. Das wird passieren.
Und dann werden die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Söhne und Töchter auf die gleiche Weise schicken, wie wir heute die unseren schicken. Und sie werden kämpfen. Sie werden kämpfen, weil es die Nato ist, und sie werden sterben, Gott bewahre, denn das ist Leid, schreckliches Leid. Ich wünsche mir für die Vereinigten Staaten von Amerika nur Frieden und Unterstützung für die Ukraine."

Die Simultanübersetzung im “Telegraph”-Video weicht leicht von dieser wörtlichen Übersetzung ab. In der grundsätzlichen Aussage sind beide Übersetzungen jedoch gleich.

Gegenseitiger Verteidigungspakt der Nato-Staaten

Die USA gehören zu den zwölf Gründungsmitgliedern der Nato, die seit ihrer Gründung im Jahr 1949 auf 30 Mitgliedsstaaten angewachsen ist. Das Gründungsdokument des Bündnisses, der Nordatlantikvertrag, enthält eine Klausel zur gegenseitigen Verteidigung, die besagt, dass ein Angriff auf einen Mitgliedstaat einen Angriff auf das gesamte Bündnis darstellt. Die Nato berief sich erstmals nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten auf diesen Artikel.

US-Präsident Joe Biden hat erklärt, er werde keine US-amerikanischen Streitkräfte in die Ukraine entsenden. Unter Berufung auf das gegenseitige Verteidigungsabkommen des Bündnisses versprach er jedoch, “jeden Zentimeter der Nato zu verteidigen”. Die Ukraine ist kein Mitglied des Verteidigungsbündnisses, hat aber am 30. September 2022 eine beschleunigte Mitgliedschaft beantragt.

Die USA und die Nato weisen Behauptungen über Truppenstationierungen in der Ukraine zurück. “Es gibt keine Truppen oder Ausbilder unter Nato-Kommando und kein Nato-Personal ist in dem Konflikt getötet worden”, sagte ein Sprecher der Allianz am 6. Februar gegenüber AFP. “Es befinden sich keine Angehörigen der US-Streitkräfte in der Ukraine”, erklärte Garron Garn, ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, in einer E-Mail vom 6. Februar an AFP.

Fazit: Der ukrainische Präsident hat nicht gesagt, dass US-amerikanische Soldatinnen und Soldaten in der Ukraine sterben müssten. Die Aussage wurde aus dem Kontext gerissen. Selenskyj sprach davon, was im Falle eines russischen Angriffs auf einen Nato-Mitgliedsstaat passieren könne.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.