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Nein, Zitronen sind nicht wirksamer gegen Krebs als eine Chemotherapie

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Author(s): Till EICHENAUER / Anna HOLLINGSWORTH / AFP Finnland

Irreführende Behauptungen, nach denen Zitronen bei einer Krebserkrankung wirksamer seien als eine Chemotherapie, kursieren seit über einem Jahrzehnt in verschiedenen Sprachen im Internet und tauchten im Juni 2023 auf Deutsch wieder auf. Obwohl es einige positive Forschungsergebnisse in Bezug auf die Wirkung verschiedener Inhaltsstoffe von Zitrusfrüchten auf Krebserkrankungen gibt, wurden diese Ergebnisse in Studien am Menschen nicht bestätigt. Expertinnen und Experten erklärten gegenüber AFP, dass es keine Beweise für die Wirksamkeit von Zitronen bei Krebs gibt.

“Der überraschende Nutzen der Zitrone ist die wundersame Fähigkeit, Krebszellen zu töten! Sie ist 10.000 Mal stärker als Chemotherapie!!”, schreibt ein Nutzer am 14. Juni 2023 auf Facebook.

In dem Beitrag heißt es, dass Zitronen ein bewährtes Heilmittel gegen “alle Arten von Krebs” seien und dass sie “die bösartigen Zellen von 12 Krebsarten zerstören”. Weiter werden auch andere angebliche gesundheitliche Vorteile von Zitronen erwähnt, wie etwa ihre Wirksamkeit gegen Parasiten und Würmer. Die Leser werden aufgefordert, Zitronen einzufrieren, dann die ganze Frucht zu reiben und zu essen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 16.06.2023
Facebook-Screenshot der Behauptung: 16.06.2023

Eine ähnliche Behauptung auf Deutsch tauchte bereits im Jahr 2020 auf und wurde damals mehr als 5000 Mal geteilt. Vergleichbare Behauptungen kursieren jedoch schon seit über zehn Jahren in verschiedenen Sprachen im Internet. Die Faktencheck-Organisation Snopes hat beispielsweise 2011 ähnliche Behauptungen überprüft und FullFact und The Hindu haben 2022 Faktenchecks zu diesem Thema verfasst. AFP hat über die Behauptung außerdem auf Schwedisch geschrieben.

AFP hat bereits in der Vergangenheit Behauptungen über Zitronen und ihre gesundheitlichen Auswirkungen überprüft. Diese finden Sie hier, hier und hier.

Krebsexpertinnen und -experten erklärten gegenüber AFP, dass es zwar einige vielversprechende Ergebnisse aus Studien zu den krebsbekämpfenden Eigenschaften bestimmter Bestandteile der Zitrone gebe, dass aber keine weitreichenden Schlussfolgerungen über ihre Wirkung beim Menschen gezogen werden könnten. Es gebe derzeit keine Beweise dafür, dass Zitronen 10.000 Mal wirksamer seien als Chemotherapeutika.

Krebsbekämpfende Eigenschaften nicht an Studien am Menschen bestätigt

Johanna Hök, Dozentin am Karolinska Institutet, und Kathrin Wode, Doktorandin am Institut für Strahlenwissenschaften der Universität Umeå, die dem Regionalen Krebszentrum Stockholm Gotland angehören, erklärten am 25. Mai 2023 gegenüber AFP, es sei unklar, woher die Behauptung komme. “Wir können keine wissenschaftlichen Beweise dafür finden, dass Zitronen oder einer ihrer Bestandteile wirksamer sind als eine Chemotherapie”, schrieben die beiden Wissenschaftlerinnen in einer gemeinsamen E-Mail.

Auch das Nationale Krebsinstitut der USA (NCI) teilte AFP am 25. Mai in einer E-Mail mit, dass es keine Erkenntnisse gebe, die die Behauptung stützen, Zitronen seien ein bewährtes Heilmittel gegen alle Krebsarten.

Obwohl es sowohl präklinische als auch klinische Studien gebe, die die Auswirkungen von Zitronen auf Krebs oder Krebszellen untersucht haben, könnten damit die in den Beiträgen aufgestellten Behauptungen nicht gestützt werden, so Hök und Wode: “Aus keiner dieser Studien können weitreichende Schlussfolgerungen bezüglich der Wirkung von Zitronen oder ihren Bestandteilen auf Krebs beim Menschen gezogen werden.”

Auch das New Yorker Memorial Sloan Kettering Cancer Centre (MSKCC) schreibt auf seiner Website (archivierte Version), dass die krebshemmende Wirkung von Pektin untersucht wurde. Pektin ist eine Art löslicher Ballaststoff, der in der Schale und dem Fruchtfleisch von Zitrusfrüchten und Äpfeln enthalten ist. Präklinische Studien haben eine hemmende Wirkung bei Dickdarm-, Brust-, Leber- und Lungenkrebs gezeigt, heißt es auf der Website. Auch wenn Pektin als Mittel zur Verringerung des Darmkrebsrisikos und der Nebenwirkungen einer Strahlentherapie angepriesen wird, gibt es nicht genügend wissenschaftliche Beweise, um diese Verwendung zu unterstützen”.

Eine kleine, nicht randomisierte Studie (archivierte Version) hat gezeigt, dass modifiziertes Zitruspektin, eine Form von Pektin, die angeblich besser vom Körper aufgenommen wird, die Verdopplungszeit des prostataspezifischen Antigens (PSA) bei Patienten mit Prostatakrebs erhöht, aber weitere Studien seien erforderlich. Ein hoher PSA-Wert oder ein schnell ansteigender Wert kann auf Prostatakrebs hinweisen.

Ergebnisse aus Tier- und Laborversuchen nicht ausreichend

Ein weiterer Bestandteil von Zitronen, das sogenannte D-Limonen, das in Zitrusschalenöl enthalten ist, wurde nach Angaben (archivierte Version) des MSKCC ebenfalls untersucht. In einer epidemiologischen Studie wurde ein umgekehrter Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Zitrusschalen und Plattenepithelkarzinomen (einer bösartigen Form des Hauptkrebs) festgestellt, aber eine frühe klinische Studie an Brustkrebspatientinnen konnte diese Beobachtungen nicht bestätigen. “Weitere Untersuchungen sind notwendig, um festzustellen, ob D-Limonen eine Rolle bei der Krebsprävention oder -behandlung spielt”, so das Zentrum.

Die US-amerikanische gemeinnützige Denkfabrik National Center for Health Research, die Forschung zu Gesundheitsfragen durchführt und analysiert, widmete der Behauptungen, dass Zitronen Krebs verhindern könnten, einen Artikel (archivierte Version). Neben Pektin bezieht sich der Artikel auch auf die Forschung zu Limonoiden, einer weiteren chemischen Stoffgruppe, die in Zitrusschalen vorkommt, und erklärt, dass die Forschung gezeigt habe, dass Limonoide das Wachstum von Krebszellen verlangsamen und den Zelltod “in sehr hohen Mengen” auslösen könnten.

Die Studien konzentrierten sich jedoch auf Tier- und In-vitro-Zellkulturen von menschlichem Brustkrebs, das heißt auf Zellen, die dem Körper entnommen wurden, sodass “es nur wenige Informationen über die Wirksamkeit von Limonoiden bei der Vorbeugung oder Bekämpfung von Krebs beim Menschen gibt”.

Der Artikel kommt zu folgendem Schluss: “Die Behauptungen, dass ‘Zitronen ein bewährtes Heilmittel für alle Arten von Krebs sind’ und dass ‘Zitronen 10.000 Mal stärker sind als Chemotherapeutika’, sind entschieden falsch.” In dem Artikel heißt es, dass es möglich sei, dass nach weiterer Forschung ein Medikament mit Pektin und Limonoiden zur Vorbeugung oder Bekämpfung von Krebs entwickelt werden könnte. Aber falls dies geschehe, “dann wahrscheinlich mit viel höheren Konzentrationen, als sie in der Natur vorkommen”.

Evangeline Mantzioris, Ernährungsberaterin und Programmdirektorin für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften an der University of South Australia, stimmte dem zu. “Wenn man sich die wissenschaftliche Literatur anschaut, gibt es alle möglichen Lebensmittel-/Kräuter- und Gewürzextrakte (einschließlich Zitrone), deren antikarzinogene Eigenschaften getestet werden, und mehrere von ihnen zeigen auf Laborebene einige antikarzinogene Wirkungen. Aber es ist nicht möglich, von dem, was in einer Petrischale passiert, auf die Wirksamkeit im Körper zu schließen”, erklärte sie am 6. Juni in einer E-Mail an AFP.

In diesem französischen Faktencheck zu Falschbehauptungen über die positive Wirkung gefrorener Zitronen bei Diabetes und Krebs erklärte Serge Hercberg, Professor für Epidemiologie und Ernährung an der Universität Sorbonne Paris Nord, am 4. April 2023 gegenüber AFP, dass es “keine wissenschaftliche Grundlage” für krebsvorbeugende Eigenschaften von Zitronen gäbe.

Zudem seien solche Behauptungen “gefährlich”, sagte Hercberg. Kein einzelnes Lebensmittel beuge Krebs vor oder heile ihn. Man sollte eher über ihre Ernährung insgesamt nachdenken: “Essen Sie mehr Obst und Gemüse, pflanzliche Produkte, vermeiden Sie zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viel Salz oder hochverarbeitete Lebensmittel”, so der Wissenschaftler.

Weitere Studien über Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erforderlich

In den Beiträgen wird außerdem behauptet, dass Zitronen weitere positive Auswirkungen auf die Gesundheit hätten, beispielsweise bei bakteriellen Infektionen, Pilzen, Parasiten und Würmern, bei der Regulierung des Blutdrucks, als Antidepressivum und zur “Bekämpfung von Stress und nervösen Störungen”.

“Es gibt keine Beweise dafür, dass Zitronen Depressionen heilen, den Blutdruck senken oder Stress und Angstzuständen entgegenwirken”, sagte Mantzioris.

Zur Wirksamkeit von Zitronen gegen verschiedene Mikroorganismen erklärte Mantzioris, dass Zitronen aufgrund ihres Säuregehalts das Wachstum bestimmter Mikroorganismen verringerten und dass beispielsweise Essig auf die gleiche Weise wirke: “Aber sobald man Zitronensaft in Wasser gibt, sinkt der pH-Wert nur unwesentlich.” Die Wissenschaftlerin erklärte gegenüber AFP, dass dies zwar schmackhaft genug sei, um es zu trinken, dass man aber viel Zitrone bräuchte, um das Wasser sauer genug zu machen, um einen antibakteriellen Effekt zu erzielen. Die Senkung des pH-Werts sei “absolut nicht ausreichend, um das Bakterienwachstum im Körper zu reduzieren”.

Laut diesem Artikel der Website Healthline (archivierte Version), können Zitronenschalen gegen Mikroorganismen oder Pilze wirken, aber es müssten noch weitere Studien am Menschen folgen, um diese Wirkungen belegen.

Fazit: Zitronen sind kein Heilmittel gegen Krebs. Zwar haben einige Bestandteile der Frucht unter Laborbedingugen krebshemmende Eigenschaften, aber mehrere Forschende haben gegenüber AFP erklärt, dass es keine abschließenden Beweise für eine Wirksamkeit beim Menschen gebe.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.