In sozialen Netzwerken kursierte Ende November 2022 ein Video, das zwei Polizisten und eine Frau am Berliner Flughafen zeigt. User behaupteten, das Video zeige, wie eine Frau abgeschoben werde, weil sie den russischen Angriffskrieg öffentlich befürwortete. Die Bundespolizei dementierte, dass es sich im Video um die Aktivistin Julia P. handele. Auch die Staatsanwaltschaft in Bayern, wo Julia P. lebt, bestätigte, dass sie sich in Deutschland aufhält. Außerdem sind Abschiebungen nach Russland und in die Ukraine aktuell wegen des Krieges ausgesetzt.
Einige User teilten die Behauptung Ende November 2022 auf Facebook (hier, hier). Auch auf Twitter kursierte die Falschinformation. Die russischsprachige Propagandistin Alina Lipp erreichte mit einer ähnlichen Behauptung auf Telegram Zehntausende. Sie korrigierte die Falschnachricht – allerdings mit der weiteren Falschnachricht, Julia P. sei in Untersuchungshaft. Das Video, das die angebliche Abschiebung zeigt, kursierte auch in anderen Sprachen in unterschiedlichen Ausführungen, so auf Italienisch, Englisch, Spanisch, Ukrainisch und Russisch.
Die Behauptung: User teilen das Video und behaupten dazu: “Russische Bloggerin, die am 9. Mai in Deutschland ‘Kalinka’ tanzte, wurde wahrscheinlich abgeschoben – ihr wurde vorgeworfen, illegal im Land zu leben.” Weiter heißt es, das Video zeige, wie die Frau “am Berliner Flughafen von der Polizei ‘eskortiert’ wird.” Außerdem sei angeblich die Wohnung der Frau durchsucht worden, Julia P. anschließend verschwunden oder womöglich verhaftet worden.
Screenshot der Behauptung auf Facebook: 01.12.2022
Das Video wird in den sozialen Medien mit Bezug auf Julia geteilt. Bei Julia handelt es sich um eine 30-jährige Russin, die in sozialen Netzwerken immer wieder gegen die Ukraine hetzt und zwei Ukrainerinnen auf offener Straße belästigte. Außerdem trat sie auch in der russischen Sendung “AntiFake” im “Ersten Kanal” auf. Dort sollen westliche Fakes entlarvt werden, jedoch verbreiteten Julia und die Sendung das Gegenteil: Falschinformationen. Bereits in der Sendung vom 14. Oktober 2022 heißt es fälschlicherweise, wer sich in Europa gegen Russland oder die Ukraine äußere, würde abgeschoben. Davon sei Julia vermeintlich betroffen.
In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Landshut gegen die Russin. Auf AFP-Anfrage antwortete der Sprecher der Staatsanwaltschaft Alexander Ecker am 30. November 2022: “Sie steht im Verdacht, mit Veröffentlichungen in sozialen Medien die Tatbestände der Billigung von Straftaten, der Bedrohung und der Beleidigung verwirklicht zu haben.” Auch das Billigen der illegalen russischen Angriffs auf die Ukraine ist laut Bundesinnenministerium eine Straftat. Wegen dieser Verdächtigungen durchsuchte die Polizei am 14. Oktober 2022 Julias Wohnung und beschlagnahmte Smartphones und ein Notebook. Deren Auswertung sind noch nicht abgeschlossen, daher gilt die Unschuldsvermutung. Laut einer Mitteilung der Polizei hält sich Julia “derzeit ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland auf”. Gegenüber AFP hieß es außerdem: “Sie befindet sich nicht in Untersuchungshaft.”
Frau im Video ist nicht Julia
Die Bild- und Tonqualität des Videos lässt keinen sichere Aussage zu, ob es sich bei der Frau im Video um Julia handelt. Deswegen hat AFP bei der Bundespolizei nachgefragt. Am 30. November 2022 bestätigte Bundespolizeisprecher Michael Spieß den Aufnahmeort. Er sagte auch: “Es handelt sich hierbei nicht um Julia P..” Weitere Fragen ließ er unbeantwortet.
Abschiebungen nach Russland und Ukraine ausgesetzt
Da Julia keine gültige Aufenthaltserlaubnis für Deutschland besitzt, könnte sie grundsätzlich unter Umständen tatsächlich abgeschoben werden, wenn ein Asylantrag abgelehnt oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) keinen Grund für einen Aufenthalt zum Schutz sieht. Die Prüfung und die Umsetzung liege laut Bamf-Sprecher Stefan von Borstel allerdings in der Zuständigkeit der Bundesländer, sagte er am 1. Dezember.
Laut Medienberichten (hier, hier) sind aktuell allerdings die Abschiebungen in die Ukraine und nach Russland wegen des Krieges in der Ukraine praktisch ausgesetzt.
Michael Siefener, Sprecher des bayerischen Innenministeriums, bestätigte die ausgesetzten Abschiebungen am 1. Dezember gegenüber AFP: “Rückführungen nach Russland finden seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine faktisch nicht mehr statt. Unbegleitete sowie auch begleitete Rückführungen und Sammelcharter sind unter Berücksichtigung der eingeschränkt bestehenden Flugverbindung laut Bundespolizei nicht planbar.”
Laut Auswärtigem Amt gibt es wegen der kriegsbedingten Sanktionen keine Direktflüge von Deutschland nach Moskau. Auch verschiedene Buchungsportale für Flüge bieten derzeit keine Direktflüge an.
Fazit: Das in sozialen Medien geteilte Video zeigt laut Polizei nicht die Russin Julia P.. Sie wurde nicht abgeschoben oder verhaftet. Sie befindet sich laut Behörden in Deutschland. Aktuell sind Abschiebungen wegen des Krieges in der Ukraine aus logistischen Gründen nach Russland ausgesetzt.