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Dieses Pflanzen-Experiment beweist keine Gefahr durch WLAN

Dieses Pflanzen-Experiment beweist keine Gefahr durch WLAN - Featured image

Author(s): Katharina ZWINS / AFP Österreich

WLAN ist ein Funknetzwerk, das erlaubt, sich kabellos mit dem Internet zu verbinden. Online kursiert jedoch die Falschbehauptung, WLAN würde menschliche Zellen zerstören. Das zeige ein Video von kaum wachsenden Kressesamen in der Nähe eines Routers. Laut Fachleuten habe WLAN jedoch nicht genug Energie, um Zellen oder Moleküle zu schädigen. Zudem wurde das geteilte Experiment nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt. Laut deutschem Bundesamt für Strahlenschutz können durch WLAN-Strahlen keine Gesundheitsschäden auftreten.

“WLAN hindert den Körper am Entgiften und zerstört die Zellen”, schreibt ein User in einem Instagram-Posting, das mittlerweile über 4500 Likes erreicht hat. Dazu teilt er einen Clip mit zwei unterschiedlichen Szenen. In diesen sind jeweils ein WLAN-Router und Kressesamen zu sehen. Bei ausgeschaltetem Router scheint die Kresse zu wachsen: Die grünen Kräuter sprießen in die Höhe, wie Zeitrafferaufnahmen der ersten Videoeinstellung zeigen. Ist das WLAN hingegen eingeschaltet, keimen die Samen scheinbar nicht. In der zweiten Szene ist kein Pflanzenwachstum zu sehen.

Der kurze Clip wurde auf Instagram mehrfach geteilt. Auch auf Facebook finden sich ähnliche Postings. Auf Telegram wurden ähnliche Videos zehntausendfach angesehen. Auf deutschsprachigen Blogs finden sich ebenfalls Artikel mit gleichartigen Behauptungen zu WLAN.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 24. November 2023

In sozialen Medien kursieren zahlreiche falsche Gesundheitsinformationen. AFP hat in der Vergangenheit etwa die falsche Aussage überprüft, 5G-Technologie könne Palmen töten. Auch die aktuell geteilte Behauptung, WLAN-Strahlen würden menschliche Zellen zerstören, ist falsch. Faktenchecks zum Thema Gesundheit sammelt AFP hier.

WLAN-Strahlung für menschliche Zellen ungefährlich

Florian Kohn ist wissenschaftlicher Referent am Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder (EMF) des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Er schrieb AFP am 14. November 2023 in einer E-Mail: “WLAN-Felder haben nicht genug Energie, um Zellen oder Moleküle zu schädigen.” Er erklärte, dass drahtlose lokale Netzwerke wie WLAN, genau wie der Mobilfunk, zu den sogenannten hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) gehören.

Diese HF-EMF gehören zur “nichtionisierenden Strahlung”, erklärte der Fachmann. Der Energiegehalt dieser Felder sei zu gering, um Zellen und Moleküle direkt schädigen zu können: “Ionisierende Strahlung, wie beispielsweise die Röntgenstrahlung, kann Zellen direkt schädigen, da diese deutlich mehr Energie transportiert.” Im Vergleich zwischen Röntgenstrahlung und WLAN habe die Röntgenstrahlung jedoch etwa drei Milliarden Mal mehr Energie, so Kohn. “Die einzige bis heute wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung von HF-EMF ist eine Wärmewirkung. Die Felder von Mobilfunk und WLAN erwärmen also unseren Körper. Damit diese Erwärmung nicht so stark wird, dass sie negative Einflüsse auf unsere Gesundheit hat, gibt es Grenzwerte. Sie schützen auch Personengruppen wie Kinder und Kranke zuverlässig.”

Auch Rudolf Stollberger, Professor für Medizintechnik im Ruhestand an der Technischen Universität (TU) Graz, schrieb AFP am 23. November 2023: “Die von WLAN-Router ausgesendeten gepulsten elektromagnetischen (EM) Felder unterscheiden sich in ihrer Natur nicht von anderen Funkquellen. Bei hochfrequenten Feldern in dem genutzten Frequenzbereich ist nur eine thermische Wirkung der Strahlung wissenschaftlich unbestritten und eindeutig erklärbar.” Es sei somit lediglich belegt, dass es wärmer werde. Daher basieren auch die Normen zum Personenschutz darauf, so Stollberger.

Das erklärte auch Wolfgang Bösch, Professor am Institut für Hochfrequenztechnik an der TU Graz,  gegenüber AFP in einem Telefonat am 22. November 2023. Er konkretisierte: “Das Einzige, das WLAN-Strahlung machen kann, ist etwas erwärmen – wie bei Mikrowellen etwa. Energie, die von WLAN ausgeht, kann die Körpertemperatur jedoch maximal um ein Zehntel Grad Celsius erhöhen.” Wenn eine Person die Stiege hinaufläuft, erwärme sich die Körpertemperatur mehr, so Bösch. Er fügte außerdem hinzu, dass es WLAN und Handys schon lange gebe: “Wenn es irgendwelche Effekte gäbe, dann müsste man den exponentiellen Anstieg inzwischen schon sehen.”

Behauptungen basieren auf Schülerexperiment

In dem Posting wird als Quelle für die Behauptung ein Youtube-Video angeführt, das ein Schülerexperiment zu Kresse und WLAN zeigt. Das Experiment wurde 2019 an der US-amerikanischen Mittelschule Sacopee Valley im Bundesstaat Maine durchgeführt. Bereits im Jahr 2013 gab es ein ähnliches Schülerexperiment zu Kresse und WLAN in Dänemark.

Auch zahlreiche andere Schulen sowie Projekte haben ähnliche Experimente durchgeführt. Die Resultate ähneln sich häufig (etwa hier): Bei eingeschaltetem Router keimen die Kressesamen weniger bis teilweise fast gar nicht. Ist die WLAN-Strahlung hingegen abgedreht, scheint die Kresse zu wachsen. In anderen Fällen war das Ergebnis hingegen nicht so eindeutig (etwa hier).

Experiment laut Fachleuten “unwissenschaftlich”

Jens Jäkel, Professor für Systemtheorie und Mechatronik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, schrieb AFP am 14. November 2023: “Eine Gesundheitsgefährdung hängt von den konkreten Umständen ab. Werden die gesetzlichen Vorschriften eingehalten, ist die Gesundheitsgefahr bei WLAN nach aktuellem Stand der Wissenschaft zu vernachlässigen. Das Experiment im Video ist hierzu nicht aussagekräftig und entspricht nicht den wissenschaftlichen Standards.”

Stollberger von der TU Graz schrieb AFP dazu am 23. November 2023 ebenfalls: “Die Videos sind initial eindrucksvoll, aber natürlich nicht als wissenschaftlicher Beleg geeignet. So könnte man auch ein Youtube-Video von einem Zaubertrick, bei dem eine Person aus einem Behälter weggezaubert wird und dann wo anders erscheint, als Nachweis für das nun endlich gelungene Beamen verwenden.” Bei dem gezeigten Video zum experimentellen Nachweis der Wirkung der elektromagnetischen Felder des eingeschalteten WLAN-Routers würden laut Stollberger nämlich alle Nachweise, dass bis auf die elektromagnetischen Wellen des WLAN-Routers alle anderen Parameter wie etwa Temperatur, Beleuchtungsstärke und Feuchtigkeit gleich sind, fehlen.

Erhöhte Temperatur durch WLAN-Router

Eine mögliche Begründung für den Ausgang des Schülerexperiments laut Stollberger: “Zur Erklärung des Unterschiedes im Wachstumsverhalten der Kresse in dem gezeigten Experiment spekuliere ich, dass in dem einen Kübel, in dem die Kresse nicht gewachsen ist, die Temperatur durch den eingeschalteten WLAN-Router selbst schon deutlich höher war als im anderen, wodurch möglicherweise das Substrat trocken wurde.”

Auch die Biologielehrerin der dänischen Schule, an der eines der Experimente durchgeführt wurde, erklärte laut einem Medienbericht vom Mai 2013, dass sich einige der lokalen Debatten darum drehten, ob die negativen Auswirkungen darauf zurückzuführen seien, dass die Kressesamen durch die von den im Experiment verwendeten WLAN-Routern ausgestrahlte Hitze trockneten. Sie erklärte jedoch, dass die Schülerinnen und Schüler die Kresse in beiden Gruppen während des gesamten Experiments ausreichend feucht hielten und die Temperaturen thermostatisch kontrolliert wurden. In einem Artikel der britischen Tageszeitung “The Guardian” vom Dezember 2013 wurde dies ebenfalls thematisiert: “Die Wissenschaftler, die zu der Untersuchung befragt wurden, vermuten, dass die Router Wärme abgeben, was die Kresse in den Räumen, in denen die Router standen, wahrscheinlich austrocknete, so dass das entsprechende Wasser für sie nicht ausreichte.”

Keine Studie zu exakten Auswirkungen von WLAN auf Pflanzen

Gegenüber AFP verwies Experte Stollberger schließlich auf eine ähnliche, wissenschaftlich basierte Untersuchung von Forschern der Technischen Universität Košice in der Slowakei, die “einen gewissen Einfluss” von WLAN-Strahlung auf Pflanzen zeigen würde – allerdings “wesentlich weniger als im Youtube-Video”, so der Experte. In der genannten Studie von Forschern der Technischen Universität Košice in der Slowakei heißt es: “Das Experiment hat negative Auswirkungen von WLAN-Strahlung auf Gartenkresse gezeigt. Aber zur Bestätigung dieses Arguments wird es notwendig sein, dieses Experiment zu wiederholen.” Eine Wirkung auf Zellen über die Wärme hinaus ist laut Stollberger jedenfalls nicht anerkannt. Auch der Behauptung in sozialen Medien, WLAN würde den Körper am Entgiften hindern, konnte Stollberger nichts abgewinnen.

Florian Kohn vom BfS schrieb AFP: “Bisher konnten bei Feldstärken unterhalb der Grenzwerte keine schädlichen Wirkungen auf Pflanzen durch künstliche elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder nachgewiesen werden.” Es gebe immer wieder einzelne Studien, die Einflüsse auf das Wachstum von Pflanzen zeigen würden, so der Fachmann. “Diese sind aber sehr widersprüchlich und reichen von positiven Effekten (besseres Wachstum) bis hin zu negativen Effekten (gehindertes Wachstum). Ein Wirkmechanismus konnte bis heute nicht gefunden werden.”

Auf Rückfrage von AFP hieß es von der Presseabteilung des Bundesamtes am 22. November 2023 per E-Mail: “Um eine wissenschaftlich belastbare Aussage treffen zu können, müssen Versuche nach anerkannten wissenschaftlichen Qualitätskriterien durchgeführt werden. Für eine fundierte Beurteilung würde man ein Versuchsprotokoll benötigen, wie es in Studien, die wissenschaftlichen Standards entsprechen, Usus ist. Dem BfS ist keine wissenschaftlich gut gemachte Studie bekannt, die diesen oder einen ähnlichen Effekt zeigt.”

Die Frage, ob WLAN schädlich sei, beantwortet das BfS online. Schädliche Wirkungen auf die Gesundheit könnten nicht auftreten, heißt es dort.

Fazit: Online verbreitet sich die Falschbehauptung, dass WLAN-Strahlen in der Lage seien, menschliche Zellen zu zerstören. Diese Behauptung stützt sich auf ein Video, das kaum wachsende Kressesamen in der Nähe eines Routers zeigt. Fachleute betonen jedoch, dass WLAN nicht über ausreichend Energie verfügt, um Zellen oder Moleküle zu schädigen. Durch WLAN-Strahlen könnten zudem keine Gesundheitsschäden auftreten. Darüber hinaus wurde das geteilte Experiment nicht auf Basis anerkannter wissenschaftlicher Standards durchgeführt.

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Ursprünglich hier veröffentlicht.