Ukrainische Geflüchtete werden immer wieder zum Ziel von Falschbehauptungen im Netz. Im März 2023 verbreitete sich online das Foto eines ukrainischen Audis mit der Behauptung, die Geflüchteten würden 7000 Euro Begrüßungsgeld und weitere Gelder erhalten. Das Auto stamme angeblich aus einer Region der Ukraine, die nicht vom Krieg betroffen sei. Laut Bundesinnenministerium gibt es in Deutschland aber kein Begrüßungsgeld für die Geflüchteten, diese können jedoch eine Grundsicherung erhalten. Das Auto auf dem Foto stammt aus der Oblast Poltawa, die in der Vergangenheit wiederholt Ziel russischer Angriffe war.
Tausende Nutzerinnen und Nutzer haben das Sharepic eines Audis auf Facebook geteilt. Zehntausende sahen das Bild zudem auf TikTok.
Die Behauptung: Auf dem Bild ist ein Audi Q8 mit ukrainischem Kennzeichen zu sehen. Dazu schreiben User, ukrainische Geflüchtete würden 7000 Euro Begrüßungsgeld erhalten. In anderen Beiträgen heißt es, diese würden Bürgergeld und Sonderzahlungen bekommen. Das Gebiet, aus dem das Auto im Bild kommt, sei zudem angeblich gar nicht vom Krieg betroffen.
Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 werden ukrainische Geflüchtete immer wieder zum Ziel von Falschbehauptungen. So widerlegte AFP in der Vergangenheit bereits Meldungen, wonach diese angeblich ein Haus in Brand gesetzt hätten oder eine Sonderregelung bei Renten erhalten würden. Auch Behauptungen zu einem angeblichen Begrüßungsgeld wurden bereits von AFP widerlegt. Faktenchecks zur russischen Invasion in der Ukraine sammelt AFP hier.
Oblast Poltawa war bereits Ziel von Angriffen
In dem online verbreiteten Beitrag wird auf die Herkunft des Audis mit der Ortsangabe “BI” im Kennzeichen verwiesen. Eine Suche nach ukrainischen Kennzeichen bestätigte, dass die Buchstaben die Region Poltawa kenntlich machen.
Die Behauptung, die Oblast Poltawa im Zentrum der Ukraine sei nicht vom Krieg betroffen, ist allerdings falsch. Die Region befindet sich einige hundert Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew. AFP berichtete in der Vergangenheit bereits von russischen Angriffen in der Region, beispielsweise in diesem Faktencheck zu einem Raketenangriff, der ein Einkaufszentrum in Krementschuk traf. Die Stadt befindet sich im Südwesten der Region.
Die Region war zudem von Stromausfällen nach russischen Angriffen betroffen, wie AFP im Dezember 2022 schrieb. Sowohl im März (hier, hier) als auch im Februar 2023 (hier, hier) berichteten mehrere Medien von Raketeneinschlägen und in der Region Poltawa. Auch die gleichnamige Hauptstadt der Region war vom Kriegsgeschehen betroffen.
Der Leiter der regionalen Militärverwaltung in Poltawa, Dmytro Lunin, berichtete am 1. März 2023 zudem auf Facebook von Drohnenangriffen, die in der Region Poltawa stattfanden. Auch russische Staatsmedien wie “Radiosputnik” berichteten im März 2023 von Luftalarm in der Region Poltawa.
Die ukrainische Nachrichtenseite “Suspilne” berichtete im Sommer 2022, dass nach einem halben Jahr der russischen Invasion mehr als ein Dutzend Siedlungen in Poltawa Ziel russischer Raketen geworden seien.
Ukrainische Geflüchtete erhalten kein Begrüßungsgeld
Behauptungen zu einem angeblichen Begrüßungsgeld wurden bereits in der Vergangenheit von AFP entkräftet.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte auf eine erneute AFP-Anfrage am 17. März 2022 mit, dass kein Begrüßungsgeld an Geflüchtete aus der Ukraine gezahlt werde. Es gebe auch keine entsprechenden Pläne. “Es handelt sich hier um eine Falschinformation, die seitens der Bundesregierung nicht bestätigt wird”, hieß es.
Ukrainerinnen und Ukrainer können aber seit Juni 2022 in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen eine Grundsicherung erhalten, also Leistungen ähnlich der Sozialhilfe, die auch Deutsche bekommen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erläutert online, dass ukrainische Geflüchtete Sozialleistungen erhalten können, “wenn ihr Einkommen und gegebenenfalls Vermögen nicht ausreichen, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken.”
Erwerbsfähige Personen könnten für sich und ihre Familie Bürgergeld vom Jobcenter erhalten, so das Ministerium. Eingeschränkt Erwerbsfähige oder Menschen, die eine Altersrente beziehen, könnten Geld vom Sozialamt erhalten. Voraussetzung sei in beiden Fällen eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Fiktionsbescheinigung der Ausländerbehörde.
Zudem ist auf der Website des Bundesarbeitsministeriums von Unterstützung bei Wohn- und Heizkosten die Rede.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte gegenüber AFP, dass “keine weiteren Sonderzahlungen für ukrainische Geflüchtete” geplant seien.
Die Hilfsorganisation Pro Asyl erläutert den Anspruch auf Sozialleistungen ebenfalls online und nennt weitere Leistungen, die unter bestimmten Umständen möglich sind, so zum Beispiel Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung oder Kindergeld.
Der Verfasser des online verbreiteten Original-Postings hat seinen Beitrag mehrfach verändert. So fügte er die Behauptung zu den angeblichen 7000 Euro Begrüßungsgeld nach der ursprünglichen Veröffentlichung ein und entfernte diesen etwas später wieder.
Fazit: Nein, ukrainische Geflüchtete erhalten in Deutschland kein Begrüßungsgeld. Sie können aber unter bestimmten Voraussetzungen eine Grundsicherung bekommen. Die ukrainische Region Poltawa, aus dem das Auto auf dem Foto stammt, ist ebenfalls vom Krieg betroffen, wie mehrere Medienberichte zeigen.